Im Interview: Prof. Dr.-Ing. Thorsten Albers

  • 06.12.19 09:20
  • Sabrina Dora Seal

Prof. Dr.-Ing. Thorsten Albers erhielt seinen Ruf an die Ostfalia im September 2018. Seitdem lehrt und forscht er zu den Themen Wasserbau und Hydrosystemmodellierung an der Fakultät Bau-Wasser-Boden. Mehr darüber berichtet er im Interview mit der Ostfalia-Redaktion.

Was haben Sie vor Ihrem Ruf gemacht?

Ich war in einem mittelständischen Ingenieurbüro in Hamburg tätig, das sich mit diversen Fragestellungen im Bereich „Bauen und Umwelt“ beschäftigt. Neben geschäftsführender Tätigkeit sowie der Leitung der Tiefbauabteilung mit den Schwerpunkten Wasserbau und Geotechnik war ich operativ als Consultant in verschiedenen Projekten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit in Südostasien u.a. für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Weltbank tätig. Hier ging es im Wesentlichen um Fragestellungen eines nachhaltigen Küstenschutzes. Dieses Thema begleitet mich jetzt schon seit meiner Zeit an der TU Hamburg, wo ich im Bereich Küsteningenieurwesen promoviert habe.

Wo liegt der Fokus Ihrer Professur?

In der Lehre vertrete ich den gesamten Themenbereich des Wasserbaus, von der Hydrologie und Hydromechanik über Geoinformationssysteme und numerische Simulation bis hin zu Hochwasserschutz und Hafenbau. Mein Fokus liegt aber auf der Thematik des Küsteningenieurwesens und Küstenzonenmanagements. Hier vertrete ich einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur die Planung und den Bau von Deichen, Wellenbrechern etc. vorsieht, sondern integrative Schutzsysteme zum Ziel hat. Es geht darum, basierend auf einem umfassenden Prozessverständnis einen flächenhaften, adaptiven Küstenschutz zu etablieren, der so weit es geht im Einklang mit der Natur steht. Als Beispiele seien hier Vorlandmanagement, Lahnungsbau und Sandaufspülungen genannt – also Verfahren, die heute oft unter den Schlagworten „Building-with-Nature“ oder „Engineering-with-Nature“ zusammengefasst werden. Dabei kommt der Erfassung und Analyse von Strömungsprozessen, Seegang und Sedimentdynamik besondere Bedeutung zu. Die hierzu erforderlichen Methoden finden sich dann auch in meiner Lehre wieder, wobei neben klassischen Bemessungsmethoden und numerischen Modellen auch physikalische Modellierung im Wasserbaulabor und Messungen in der Natur gleichermaßen wichtige Bestandteile sind.  

Auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse ist absehbar, dass der Klimawandel große Veränderungen und Schäden verursachen wird. Inwiefern können Sie mit Ihrem Forschungsschwerpunkt bzw. den daraus hervorgehenden Erkenntnissen gegenwirken?

Ich habe diese Herausforderungen unmittelbar bereits im Mekong Delta in Vietnam und auf Java, Indonesien in Projekten der GIZ, der Weltbank und des Bundesumweltministeriums erlebt. An diesen sehr exponierten Orten sorgen eine Intensivierung und Häufung von Extremereignissen wie Sturmfluten verbunden mit Landsenkung in den letzten zwei Jahrzehnten bereits für eine Verschärfung des Risikos im Küstenraum. Die Herstellung konventionellen Küstenschutzes durch Deiche, Sperrwerke usw. funktioniert hier nur eingeschränkt, da finanzielle Mittel begrenzt sind, die Zeit knapp ist und letztlich der Bau von immer höheren und schwereren Deichen auf den weichen Böden an den dortigen Küsten auch technisch an seine Grenzen stößt. Gefragt sind integrative Lösungen, bei denen breite Vorlandflächen bewachsen mit Mangroven die einlaufenden Wellen bereits soweit dämpfen, dass die Deiche weniger verstärkt werden müssen. Oftmals hat eine nicht-nachhaltige Nutzung der Küstenzonen jedoch zu einer Abholzung der Mangrovenwälder geführt, so dass zunächst das Vorland und die Mangroven wieder rehabilitiert werden müssen. Hier können Ansätze des flächenhaften Küstenschutzes und des Lahnungsbaus aus Deutschland an die Küsten Vietnams und Indonesien übertragen werden. Diese Fragestellungen gelten jedoch auch für Deutschlands Nord- und Ostseeküste. Auch wir müssen uns langfristig Alternativen zum rein linienhaften Küstenschutz durch Deiche, Mauern und Sperrwerke überlegen. An diesem Punkt setzt mein Forschungsschwerpunkt an.

Was versteht man unter Hydrosystemmodellierung? Warum ist Suderburg ein guter Standort, um daran zu forschen?

Baumaßnahmen im Wasserbau und Küsteningenieurwesen sind sehr komplex und besitzen einen großen Wirkungsbereich. Eine Buhne am Strand kann im Nahbereich den gewünschten Effekt, nämlich Sandablagerungen, haben, am benachbarten Strandabschnitt jedoch für Erosion sorgen. Diese Wirkungspfade werden im Zuge der Planung mit Computermodellen untersucht, um negative Auswirkungen von Baumaßnahmen im Vorfeld vermeiden zu können. Es werden also Küsten- oder Flusssysteme in numerischen Modellen abgebildet und anhand von gemessenen Daten kalibriert. Im Anschluss können die geplanten Bauwerke in diese Modelle eingebaut werden und die daraus resultierenden Änderungen untersucht werden und eine optimierte Planungsvariante gefunden werden.

Der Standort Suderburg hat eine sehr lange Tradition in der Ausbildung von Wasserbauingenieuren und es besteht eine exzellente Vernetzung in Fachkreisen, zu Behörden und zur Baupraxis. Unsere Studierenden haben am Ende Ihres Studiums ein umfassendes Methodenwissen erworben und kennen sehr viele Aspekte und Prozesse, die im nachhaltigen Wasserbau und Küsteningenieurwesen unverzichtbar sind. Dies ist eine sehr gute Basis für Forschung. Darüber hinaus bildet die vorhandene Laborausstattung und IT-Infrastruktur eine gute Basis, um an den oben genannten Themen zu forschen.

 

  Thorsten Albers

Prof. Dr.-Ing. Thorsten Albers, Fakultät Bau-Wasser-Boden

(Foto: privat)

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