Der virtuelle Baumstamm — Vorteile für die Holzwirtschaft

  • 20.12.19 14:20

Taktile Messverfahren bei der vollmechanisierten Holzernte sind derzeit noch fehlerbehaftet. Daher erfolgt die Vergütung bisher nach Aufmaß im Sägewerk – meist erst nach mehreren Wochen oder Monaten. Um die Wertschöpfungskette in der Holzwirtschaft zu verbessern und zu beschleunigen, entwickelt die Ostfalia Hochschule ein neues, berührungsloses Messsystem für den Holzvollernter.

Künftig soll ein Holzvollernter während der Arbeit das Baumstammvolumen ermitteln können Künftig soll ein Holzvollernter während der Arbeit das Baumstammvolumen ermitteln können

Deutschlands Holzeinschlag belief sich 2018 laut Bundeslandwirtschaftsministerium auf rund 65 Millionen Kubikmeter. Zwei Drittel davon werden vollmechanisiert geerntet, zum Beispiel mit Harvestern. In der Forstwirtschaft bildet das geerntete Holzvolumen die Basis zur Abrechnung, die allerdings bisher erst Wochen später nach Aufmaß im Sägewerk erfolgt. Bei der hochmechanisierten Ernte mittels Holzvollerntemaschinen werden die Stammlängen und -durchmesser zur Berechnung der Stammvolumina ausschließlich taktil erfasst – eine zuverlässigere Messmethode gibt es zurzeit nicht.

Das Ziel des Forschungsprojekts „Opto-Pro 2020“ ist es, ein vom Antrieb entkoppeltes berührungsloses Messsystem zu entwickeln und in den Harvester-Prozessor zu integrieren. Nur so ist es möglich, die unterschiedlichen Zustände der Baumstruktur messtechnisch präzise zu erfassen. Dieser Ansatz soll eine Vergütung direkt nach Ernte und Verkauf ermöglichen und nicht erst nach dem Transport ins Sägewerk.

 

Das virtuelle Modell eines Baumstammes erleichtert die Holzlogistik, die Verarbeitung und Vergütung
Das virtuelle Modell eines Baumstammes erleichtert die Holzlogistik, die Verarbeitung und Vergütung

Einen Schwerpunkt der Forschungsarbeit bildet der virtuelle Baumstamm. Dieses Modell enthält vielfältige Informationen und bleibt auch zu traditionellen Messverfahren kompatibel. Es bietet die Chance, die gesamte Wertschöpfungskette in der Holzlogistik effizienter zu gestalten. Durch den vom Harvester erzeugten virtuellen Zwilling lassen sich sowohl die Logistikprozesse als auch die Verarbeitung besser organisieren. So können etwa Sägewerke die Sägeausbeute, zum Beispiel die Anzahl an Haupt-, Seitenware und Restholz, vorausberechnen, obwohl die Stämme noch im Wald liegen. Eine Bereitstellung des Rohstoffs Holz On-Demand wird hierdurch möglich.

In einem zweiten Schwerpunkt rüstet das Forschungsteam den Holzvollernter mit der multisensorischen Messtechnik aus. Das System muss so robust sein, dass herumfliegende Holzstücke und Verschmutzungen wie zum Beispiel durch Staub oder Schnee die Messtechnik nicht behindern. Der hierfür entwickelte Versuchsstand simuliert eine Bearbeitungsgeschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde, wie sie die im Forst eingesetzten Harvester erreichen. Neben den Laborversuchen sind auch Feldtests in der realen Arbeitsumgebung vorgesehen. Die Bewertungsgrundlage der Vergleichsmessungen bildet in jedem Fall das reale Baumstammvolumen als Tauchvolumen. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte ZIM-Forschungsprojekt läuft noch bis 2020.

 

 

Erschienen in  Technologie-Informationen 3/2019

 

 

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