Im Interview: Prof. Dr. Felix Büsching

  • 28.07.20 08:48
  • Sabrina Dora Seal

Im Interview: Prof. Dr. Felix Büsching

Prof. Dr. Felix Büsching erhielt seinen Ruf an die Ostfalia im Februar 2020. Seitdem lehrt und forscht der Professor für Microcontroller und Embedded Systems an der Fakultät Elektrotechnik am Campus Wolfenbüttel. Mehr darüber berichtet er im Interview mit der Ostfalia-Redaktion.

 

Was haben Sie vor Ihrem Ruf gemacht?

Ich war als Postdoc an der TU Braunschweig beschäftigt. Dort habe ich vornehmlich Projekte konzipiert, akquiriert und bearbeitet, studentische Arbeiten betreut, gelehrt und geforscht. Außerdem habe ich nebenbei ein kleines Gewerbe im Bereich IT-Beratung, über das ich in letzter Zeit aber nur noch sehr wenige Aufträge angenommen habe. Nebenbei habe ich mich fortgebildet und hier und dort mal ernsthafte und mal lustige Vorträge gehalten. Mehr oder weniger direkt vor dem Ruf bin ich glücklicher Vater unseres zweiten Kindes geworden und musste sehr schnell lernen, dass Home-Office und Kinderbetreuung nur in der Theorie gleichzeitig funktionieren.

 

Wo liegt der Fokus Ihrer Professur?

Der Fokus ist eigentlich ziemlich weit, einfach, weil es eingebettete Systeme mittlerweile überall gibt: Zu Hause, in der Landwirtschaft, im Auto, am Körper und zukünftig wohl auch im Körper – jeder Lebensbereich wird mehr und mehr technisiert und vernetzt. Das finde ich spannend!

Unter eingebetteten Systemen kann man sich kleine Computer vorstellen, die Daten aufnehmen, verarbeiten und ggf. versenden: Das passiert im Fitness-Tracker genauso wie in einem richtigen Trecker - überall nehmen Sensoren Daten auf, die dann von kleinen Rechnern (vor)verarbeitet werden. In einfachen Fällen werden aus diesen Daten dann lokale Entscheidungen abgeleitet (so wird zum Beispiel ein Heizungsthermostat das Ventil schließen, wenn die gemessene Temperatur zu hoch wird). In komplexeren Szenarien braucht man gegebenenfalls etliche Messwerte von unterschiedlichen Orten und Zeitpunkten und muss diese zunächst „einsammeln“ und zusammenführen, bevor man aus den Daten dann einen Informationsgewinn erzielen kann; man spricht dann von (drahtlosen) Sensor-Netzen.

Letztendlich geht es also um Rechner, die überall um uns herum Dinge tun. Idealerweise ohne, dass man sie dazu aktiv bedienen muss oder zumindest ohne, dass man die Bedienung erlernen muss.

 

Warum haben Sie sich für dieses Forschungs- und Lehrgebiet entschieden?

Mark Weiser hat vor langer Zeit den Begriff des „Ubiquitous Computing“ geprägt, also dass Rechner überall um uns herum Dinge (mehr oder weniger unbemerkt) tun, um uns zu unterstützen und um uns (wohlmöglich lästige) Aufgaben abzunehmen. In dieser „Vision“ bedarf es keiner expliziten Bedienung, sondern vielmehr funktionieren die einzelnen Komponenten vorausschauend und „ verschwinden“ im Hintergrund. Mittlerweile haben wir die technischen Möglichkeiten, das in vielen Bereichen umzusetzen; und die eingebetteten Systeme sind meines Erachtens ein wichtiger Baustein.

Außerdem können wir so lernen, Ressourcen besser zu nutzen: In sehr vielen Bereichen des täglichen Lebens fehlen uns noch immer Informationen, um Dinge wirklich effizient zu tun. Beispiel: In einem aktuellen Forschungsprojekt behandeln wir die Energieeffizienz von Lüftungsanlagen im industriellen Umfeld. Bei vielen Industrieprozessen hat die Lüftungsanlage einen erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch: Es wird jede Menge Luft eingesaugt, erwärmt und wieder „ rausgepustet“ und zwar unabhängig davon, ob das tatsächlich notwendig ist. Wenn nun von uns entwickelte Sensornetze in der Lage sind, im Raum verteilt die Luftqualität und Schadstoffbelastung kontinuierlich zu messen und auf Basis dieser Messwerte die Lüftungsanlage so zu regeln, dass sie nur das „weglüftet“ was notwendig ist, können wir jede Menge Energie sparen.

Ich finde es wichtig an diesen technologischen Entwicklungen mitzuarbeiten und dieses Wissen auch zu vermitteln. So können wir gemeinsam auch die nächste große Herausforderung – den menschengemachten Klimawandel – gemeinsam mit vielen Fachgebieten angehen und nachhaltige Technologien praxistauglich erforschen und zum Einsatz bringen.

 

Was sind die wichtigsten Herausforderungen in Ihrem Forschungsfeld?

Eingebettete Systeme sind in der Regel sehr beschränkt in ihren Ressourcen und somit nicht mit Standard-PCs vergleichbar. Unabhängig ob am Menschen, im Auto oder auf dem Kartoffelacker: Die Forschungsfragestellungen ähneln sich in vielen Bereichen. Oft geht es um Energieeffizienz, unter anderem auch deshalb, weil viele dieser Systeme batteriebetrieben sind oder sich aus sehr kleinen Energiequellen bedienen (beispielsweise Energy Harvesting). Es muss uns also gelingen, für die jeweiligen Funktionen so wenig Energie wie möglich zu „verbrauchen“.

Ein weiterer Punkt ist die Robustheit: Gerade wenn man Dinge (im Raum und/oder über weite Flächen) verteilt, möchte man nicht ständig Fehler reparieren. Dass Dinge im Labor sehr gut funktionieren sagt leider häufig nicht sehr viel darüber aus, wie sie sich beispielsweise ein Jahr lang bei Wind, Schnee und Regen auf dem Kartoffelacker verhalten.

Last but not least: Sicherheit – und zwar in unterschiedlicher Ausprägung: Bei Daten, die man am/im Körper aufnimmt und versendet, will man wahrscheinlich nicht, dass jemand anders diese Daten mitlesen kann; hier kommt es also auf Sicherstellung der Vertraulichkeit (privacy) beispielsweise durch Verschlüsselung an. Bei einem System, das Stürze eines Menschen erkennt und gegebenenfalls andere darüber benachrichtigen soll, will man (evtl. zusätzlich) eine hohe Betriebssicherheit (safety), die sicherstellt, dass diese Nachrichten auch ankommen und dass darauf reagiert wird.

Auch zukünftig wird es je nach Art und Ausprägung der verteilten eingebetteten Systeme keine allumfassende Lösung zur Sicherstellung aller Anforderungen an Energieeffizienz, Robustheit und Sicherheit geben, weswegen hier auch weiterhin individuelle Lösungen gesucht und erforscht werden müssen.

Prof. Dr. Felix Büsching
Prof. Dr. Felix Büsching (Foto:Privat)

nach oben
Drucken