Auch für die Studierenden des Studiengangs „Digital Technologies“ geht ein ungewöhnliches Semester zu Ende, das aus Lehrveranstaltungen in Online-Formaten bestand. Im hochschulübergreifenden Studiengang der TU Clausthal und Ostfalia Hochschule können Studierende aus Fächern der Informatik sowie sechs Anwendungsgebieten wählen. Außerdem arbeiten sie in interdisziplinären Digitalisierungsprojekten zusammen, die technische Herausforderungen aus der Informatik mit komplexen Fragstellungen aus den Anwendungsgebieten verbinden. In diesen Digitalisierungsprojekten forschen die Studierenden in jahrgangsübergreifenden Teams. Dabei steht nicht nur die Entwicklung eines Prototyps oder innovativen Lösungsansatzes im Vordergrund, sondern auch die Schulung von Soft-Skills, wie Kreativität und Teamfähigkeit. Eines dieser Teams hat sich mit dem Problem des Schädlingsbefalls in der Forstwirtschaft beschäftigt und eine „Smarte Borkenkäferfalle“ entwickelt.
„Der Befall von Bäumen durch Borkenkäfer ist ein bekanntes Problem in der Forstwirtschaft“, erklärt Prof. Dr. Andreas Ligocki (Maschinenbau), der das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Ina Schiering (Informatik) von Seiten der Ostfalia Hochschule sowie weiteren Projekt-Coaches betreut. Im Anwendungsgebiet „Industrie 4.0“ erarbeiteten die Studierenden eine digitale Lösung für dieses Problem. Bei der Borkenkäferfalle handelt es sich um eine pheromongesteuerte Schlitzfalle, bei der die Tiere durch einen speziellen Lockstoff geködert werden, durch schmale Öffnungen in das Innere der Falle klettern und beim Hineinfallen durch eine geeignete Sensorik detektiert und gezählt werden. „Entgegen einer klassischen Borkenkäferfalle ist diese in der Lage, sowohl den Befall als auch die Temperatur ortsunabhängig über eine stromsparende Funkverbindung an Forstwirte zu übermitteln“, erläutert Prof. Dr. Ina Schiering. Mithilfe eines Solarpanels und einer kleinen Pufferbatterie ist es möglich, die Falle unabhängig von der Lage im Wald zu platzieren. Über ein Dashboard werden die erhobenen Daten visualisiert. Durch diese Modifikationen kann die Falle über einen langen Zeitraum autark im Wald arbeiten und Daten senden. „Eine Teamarbeit im reinen Online-Modus durchzuführen, stellte für alle Beteiligten eine gewisse Herausforderung dar“, sagt Prof. Dr. Andreas Ligocki. „Das Team hat hier im Verlauf des Semesters mit verschiedenen digitalen Technologien und Plattformen experimentiert. Es hat sich mit einem effizienten Energiemanagementsystem vertraut gemacht und Konstruktionstools sowie Methoden des 3D-Drucks kennengelernt.“
„Durch die smarte Borkenkäferfalle könnte es möglich werden, den Borkenkäferbefall aus der Ferne zu überwachen. Försterinnen und Förster könnten dadurch einen Befall rechtzeitig bemerken und Umweltschäden eindämmen“, sagt Studentin Mara de Armas Klein zum Digitalisierungsprojekt ihres Teams. Mit anderen Studierenden entwickelte sie die smarte Borkenkäferfalle und sieht in der Projektarbeit eine wichtige Chance: „Durch die praxisnahe Arbeit in den Digitalisierungsprojekten lernt man ein Projekt anwendungsnah in einem Team umzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass man dadurch viel Praxiserfahrung für das spätere Berufsleben mitnimmt.“
Simulierte Roboter und die „Drone Challenge“
Ein zweites Team beschäftigte sich mit der Frage, wie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) das richtige Robotersystem als Teil einer automatisierten Produktion und Montage auswählen können. Um eine Antwort auf diese Frage zu geben, arbeiteten sich die Studierenden des Teams um Prof. Dr. Reinhard Gerndt von der Ostfalia Hochschule und Dr. David Inkermann von der TU Clausthal zunächst in die kinematische Beschreibung von Robotern ein, erstellten Simulationen sowie Datenbanken für die Verwaltung unterschiedlicher Roboter, Werkzeuge und Automatisierungsaufgaben. Am Ende des Projektes konnte ein Workflow von der Eingabe kinematischer Daten bis zur Animation des Robotersystems aufgezeigt werden.
Das dritte Team entwickelte eine Lösung zur Steuerung einer virtuellen Drohne unter Einsatz von künstlicher Intelligenz. Betreut wurde das Projekt aus dem Anwendungsgebiet „Autonome Systeme“ von Ostfalia-Professorin Dr. Dagmar Meyer sowie Dr. Christian Bartelt von der TU Clausthal. Die Besonderheit dieses Projekts lag in dem internationalen Wettbewerb mit Teams der Universität Mannheim und der Universität in Cluj (Rumänien), der sogenannten „Drone-Challenge“. In drei „Rennen“ traten die entwickelten Drohnen gegeneinander an. Alle Projektergebnisse wurden zum Ende des Wintersemesters im Rahmen der Sprint Review Party präsentiert.
„Das Besondere der Digitalisierungsprojekte ist die Vielschichtigkeit, mit der sich die Studierenden vom ersten Semester an beschäftigen müssen. Wir sind der Ansicht, dass sie so optimal auf ihre spätere berufliche Wirklichkeit vorbereitet werden und einen tollen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft und Arbeitswelt beitragen können“, sagt Diana Hoffmeister, Geschäftsführerin des DIGIT (Center for Digital Technologies). „Es war für die Studierenden in diesem durch Covid-19 geprägten Semester alles andere als leicht, und dennoch haben alle drei Teams tolle Ergebnisse präsentiert!“, freuen sich die beiden Modulverantwortlichen Prof. Dr. Gert Bikker und Prof. Dr. Andreas Rausch.
Die Studierenden sind bereits auf neue Projektthemen gespannt. Im Sommersemester kommen dann auch noch die neuen Zertifikatsstudierenden aus dem „DigiTec.PILOT“ hinzu. Wie die drei Digitalisierungsprojekte verdeutlichen, werden im noch jungen Studiengang „Digital Technologies“ theoretische Grundlagen praxisorientiert und anwendungsbezogen vermittelt, sodass Studierende bereits frühzeitig an konkreten Problemstellungen im Team arbeiten.
Alle Informationen zum gemeinsamen Studienprogramm der TU Clausthal und Ostfalia Hochschule sind auf der Website: www.digitecstudieren.de zusammengefasst.
Smarte Borkenkäferfalle.
Text: Jana-Kristin Schöppler
Foto: Team des Digitalisierungsprojektes „Smarte Borkenkäferfalle“