Das FH-Kooperativ-Projekt besteht aus Mitarbeitenden des Instituts für Recycling und ist ein Forschungsprojekt, an dem auch Studierende partizipieren können.
Es läuft über einen Zeitraum vom 01.02.2023 bis zum 31.01.2026 und wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (13FH117KX1) sowie der Firma WERKHAUS®.
Industrielle Konstruktions- und Baustoffe stoßen durch die intensive Nutzung, den steigenden Bedarf und mangelnde Kreislauffähigkeit zusehends an ihre Verfügbarkeitsgrenzen.
Myzel, das Wurzelwerk von Pilzen, bietet in Verbindung mit pflanzlichen Reststoffen als nachhaltiger Faserverbundwerkstoff eine Alternative zu endlichen Rohstoffen.
Audiobeitrag
Von Pilzen und Innovationen. In der Audiodatei erfahren Sie mehr über den aktuellen
Stand der Forschung zum Thema Myzel als Teil eines neuartigen Faserverbundwerkstoffes am Institut
für Recycling. Von Frederike Harms
Myzel Labor
Myzel bezeichnet das feingliedrige Wurzelnetzwerk eines Pilzes, welches sich im Wald, unter der Oberfläche des zumeist sichtbaren Fruchtkörpers, über große Distanzen erstreckt. In diesem Forschungsprojekt wird ein Baumpilz verwendet.
Die Zellen bilden ein schnell wachsendes, netzförmiges Geflecht aus und ernähren sich von Cellulose und Lignin, Bestandteilen des Baumes.
Für die Anwendung zur Herstellung von Faserverbundwerkstoffen werden dem Myzel Holzspäne als Nährsubstrat zugeführt. Das Myzel umwächst die Holzspäne. Somit besteht der Materialaufbau aus Myzel, mit darin gebundenen Naturfasern. Durch Erhitzung wird das Wachstum des Myzel-Netzwerkes gestoppt und so für die technische Anwendung nutzbar gemacht.
Der wohl größte Vorteil des Myzel-Verbundmaterials ist, dass es aufgrund seiner Bestandteile aus nachwachsenden Rohstoffen eine Alternative zu petrochemischen Materialien bietet.
Neben dem Bestandteil des Myzels, bietet sich die Verwendung pflanzlicher Fasern aus Reststoffströmen der Industrie oder Landwirtschaft an.
Durch das Schließen von Werkstoff-Kreisläufen wird ein Mehrwert geschaffen, denn das Material zerfällt nach seiner Nutzung rückstandslos in seine natürlichen Bestandteile.
Der zweite große Vorteil des Naturfaserverbundmaterials ist seine dreidimensionale Gestaltungsmöglichkeit, bedingt durch sein freies Wachstum in jedwede Form. Des Weiteren eröffnet sich, da es sich um ein neues Material handelt, die Möglichkeit, weitere Einsatzmöglichkeiten zu erforschen und zu entwickeln.
Kreisförmig wie der Lebenszyklus der Materialien, die entwickelt werden, gestaltet sich auch der Ablauf innerhalb des Materialforschungs- und Produktdesignprozesses.
Das Team des Projekts MyB besteht aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Bereiche des Instituts für Recycling sowie der Inhaber*innengeführten Firma WERKHAUS®, die alle die Faszination für Pilzmyzel eint.
Die lokale, im Wendland befindliche, Firma WERKHAUS® arbeitet seit jeher ökologisch und sozial engagiert. Neben ihrem Angebot an Büro- und Ausstellungsbedarf aus Holzwerkstoffen, bietet sie naturnahe touristische Erlebnisse in ihren destinature®-Dörfern an.
Unverwechselbares Element all ihrer Produkte ist der Steg-Keil-Verbinder.
Ein neues Myzel-Forschungsvorhaben nimmt seinen Anfang im Atelier. Hier beginnt der Prozess der Materialforschung und des Produktdesigns mit der Entwicklung neuer Ideen, Planung der Herangehensweise und Herstellung der Wachstumskästen.
Im Anschluss geht es in die direkte Anwendung und Umsetzung der Ideen in die Tat. Die Wachstumskästen werden mit dem beimpften Holzsubstrat befüllt und dieses wächst unter kontrollierten klimatischen Bedingungen im Labor zu einem Verbundmaterial.
Das Material hat nun die durch den Wachstumskasten vorgegebene Form und wird nach der Entnahme aus selbiger und anschließender Inaktivierung zum Probekörper.
Nach der Herstellung des Probekörpers folgt im Technikum die Prüfung und Dokumentation der Materialeigenschaften anhand spezifischer Vorrichtungen in Bezug auf ihre Anwendbarkeit als Produkt.
Nachdem die Probekörper geprüft wurden, folgt die Auswertung der Ergebnisse sowie der vertiefende Gestaltungsprozess hin zum fertigen Produkt.
Das Projekt bietet Ihnen neben dem Hauptanliegen der Forschung, als Studierende die Möglichkeit, dieses faszinierende Material zu erproben und anwendungsorientierte Konstruktionselemente für den technischen Einsatz weiter zu entwickeln und Projekt-, Studien- oder Abschlussarbeiten gemeinsam umzusetzen.
In der Vergangenheit gab es bereits einige vielversprechende Arbeiten mit Studierenden und kooperative Projekte mit anderen Universitäten. Wir freuen uns über weitere Vernetzung!
Modulare Sandwichpaneele mit Myzel als Werkstoff
Bela Steiner,
SoSe 2021/2022
In dieser Bachelorarbeit wurde eine modulare Sandwichpaneel-Struktur aus Myzel für kleinarchitektonische Zweckeentworfen.
Basierend auf bestehenden Erkenntnissen über Myzel als Werkstoff entstanden Entwürfe, die in Form von Funktions- und Anschauungsmustern umgesetzt wurden.
Das Produkt war kompostierbar und damit kreislauffähig. In dem praktischen Teil dieser Arbeit erfolgte die kreative und gestalterische Umsetzung und Entwicklung der Sandwichpaneele unter Einbindung einer technisch-wissenschaftlichen Herangehensweise.
Analyse zur Verbundfestigkeit und Designkonzepte für Sandwichstrukturen aus Myzel-Komposit
und Naturfasergeweben
Luisa Kistenbrügger, WiSe 2023/2024
In dieser Bachelorarbeit wurde die Festigkeit des Verbundes von Pilz-Myzel und an dessen Oberfläche angewachsenen Naturfasergeweben aus verschiedenen, pflanzlichen Materialien untersucht. Beides waren Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffquellen. Das Myzel durchwuchs das Gewebe, wodurch eine natürlich gewachsene Verbindung entstand. Die Verbundfestigkeit wurde anhand des Rollenschälversuches überprüft und gab Auskunft über die Haftung des Myzels am jeweiligen Material.
Aus Pilz-Myzel und pflanzlichen Naturfasergeweben wurden Wachstumsproben in eigens dafür konzipierten Formen, zum Einsatz in einem Klimaschrank, gezüchtet. Die mit Myzel durchwachsenen Gewebe ergaben an die Norm angelehnte Probekörper für den T-Schälversuch.
Die Kombination aus Myzel-gebundenem Substrat und pflanzlichen Naturfasergeweben ergaben außerdem eine Vielzahl von Möglichkeiten für Sandwichstrukturen.
Durch die Erstellung von Designkonzepten am Beispiel eines Raumteilers wurden die Vorteile der Materialien herausgearbeitet und gezeigt, wie sich die Komponenten gegenseitig unterstützen konnten.
Dünnschichtmyzel als Werkstoff für zirkuläres Produktdesign,
Michael Müller, WiSe 2023/2024
In dieser Bachelorarbeit wurde Dünnschichtmyzel und sein Einsatzzweck als flächiger Verbundwerkstoff behandelt. Dafür wurde der Herstellungsprozess in verschiedenen Wachstumsversuchen etabliert und unverstärktes sowie mit Flachs- oder Baumwolltextilien verstärktes Myzel gewonnen. Es wurde auf vier verschiedene Weisen zu plastifizierten oder nicht plastifizierten Dünnschichtmyzel-Probekörpern weiterverarbeitet.
Die Probekörper wurden in einer Lichttransmissionsprüfung und einem Zugversuch geprüft. Dabei wurden Kennwerte ermittelt. Außerdem konnten Beziehungen zu den Weiterverarbeitungsarten gezeigt werden und die Systematiken des Werkstoffversagens unterschieden und beschrieben werden. Zusätzlich wurde der Einfluss der Verstärkungstextilien sowie die Rolle des Myzels im Verbundwerkstoff analysiert und dargestellt.
Im Produktdesignprozess wurde ein Sonnensegel aus Dünnschichtmyzel entworfen. Das Konzept bestand aus einem kreislauffähigen Design für den Einsatzzweck des Urban Gardening
Gefördert durch:
Beate Michel, Luisa Kistenbügger, David Kiel, Annalena Manz, Ingo Johannsen, Michael Müller, Björn Kendelbacher
Prof. Dr.-Ing. Ingo Johannsen
Studiengang Material + Technisches Design
Institut für Recycling
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
Atelier
Siegfried-Ehlers-Str. 7
38440 Wolfsburg
E-Mail: i.johannsen@ostfalia.de