Fotos: Konstantin Ponomarev
Das Auto ist nach wie vor das Verkehrsmittel Nr. 1 für viele Familien in Deutschland - und es fällt oft schwer, diesem eine effektive Alternative gegenüberzustellen. Manche Familien schaffen sich ein Auto noch vor wichtigen Lebensereignissen an, etwa vor der Geburt eines Kindes. In Interviews nannten Befragte ökologische Gründe für die Nutzung oder Nicht-Nutzung des Autos meist nur dann, wenn gezielt danach gefragt wurde. Ohne diesen Umweltschutz-Kontext spielten finanzielle Aspekte oder familiäre Anforderungen - insbesondere Kinder - eine größere Rolle als Ökologie. Zwei bis drei Autos im Haushalt führen häufig zur Desynchronisierung des Familienalltags, was die aktive Autonutzung zusätzlich fördert.
Diese und weitere Erkenntnisse wurden in der Keynote von Prof. Dr. Henrike Rau (LMU München) auf der Konferenz "Neue Wege im Stadt(Um)Land" vorgestellt - der 20. Jahrestagung des Arbeitskreises Mobilität und Verkehr (AK MoVe) der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGfG), die am 22. und 23. Mai in Karlsruhe stattfand. Die Veranstaltung verdeutlichte, welche Themen derzeit die Mobilitätsforschung in Deutschland prägen.
Stellt man sich die gesamte Konferenz als eine Stadt vor, dann genießen an ihrer Hauptstraße - nennen wir sie "Forschungsstraße" – meistens die "großen" Verkehrsmitteln Priorität:
Das Auto (Schwerpunkte hier: Autobesitz, Autonutzung, Renaissance des Autos);
Die Eisenbahn (z.B. Nutzung der Bahnhöfe, Deutschland-Ticket);
Busse und Buslinien (On-Demand-Verkehr, autonomes Fahren, Mobilität im ländlichen Raum).
Links und rechts an der "Forschungsstraße" liegen die Spuren für Fahrräder (Themen wie Fahrradmobilität, Gerechtigkeit, politische Teilhabe) sowie Parkplätze (Straßenraumnutzung, städtische/ländliche Mobilität). Hier bewegen sich die Forscher*innen mit unterschiedlichen methodischen Zugängen - von postalisch verteilten Fragebögen bis hin zur qualitativen Inhaltsanalyse von Planungsdokumenten, etwa mit der Frage, inwieweit diese Gerechtigkeitsaspekte beim Aufbau der Fahrradinfrastruktur berücksichtigen (Caroline Huth, TH Wildau).
Eine große thematische Diversität zeigte sich in der Posterwalk-Session, die als metaphorische "Gehwege" entlang der "Forschungsstraße" liegen. Hier wurden Themen wie Güterverkehr (Carola Pahl, Umweltbundesamt), Parken und Raumorganisation (Carola Johanna Hitz, Hochschule RheinMain), Mobilitätspraktiken von Kindern und Jugendlichen (Lilith Kuhn, ADFC Baden-Württemberg), Typologien von E-Auto-Fahrenden (Melissa Bütter, FSU Jena) sowie der Beitrag über KI als Hilfe zur Verkehrssicherheit im Radverkehr (Maik Bock, Universität Kassel) vorgestellt. Auch die Ostfalia Hochschule war mit einem Poster vertreten - zur laufenden Studie "Geschichte der deutschen Fahrradpolitik", präsentiert von Konstantin Ponomarev (Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Radverkehrsmanagement).
Jede Straße ist Kommunikationsraum. Was wurde also auf der "Forschungsstraße" während der Konferenz diskutiert? Erstens freuten sich Forscher*innen über Rücklaufquoten von 11-16% bei Papier-Fragebögen - und träumten von 30%. Zweitens war das Thema Homeoffice und seine Auswirkungen auf Mobilitätsprozesse ein sehr spannendes Thema. Drittens diskutierte man intensiv über Finanzierung und Zukunft des On-Demand-Verkehrs im ländlichen Raum. Viertens fanden sich gesellschaftliche Initiativen zur besseren Fahrradnutzung zwischen Lobbyismus und Aktivismus wieder. Und noch vieles mehr: Die Konferenz AK MoVe in Karlsruhe hinterließ insgesamt die Hoffnung, dass die "grüne Welle" auf der "Forschungsstraße" weiterrollt.