Eine Tandemstelle in der Praxis – im Gespräch mit Dr. Tanja Böhm
Frau Dr. Böhm absolviert seit zweieinhalb Jahren an der Fakultät Informatik das Tandemprogramm an der Ostfalia in Zusammenarbeit mit dem Praxispartner Landkreis Wolfenbüttel, um die für eine HAW-Professur benötigte außerhochschulische Berufserfahrung und somit die Berufungsfähigkeit zu erlangen.
Im Gespräch mit PRoProf verrät uns Frau Dr. Böhm unter anderem, wie sie zum Tandemprogramm kam, was das Besondere an einer Tandemstelle ist und welche Vorteile das Programm sowohl für angehende Professoren*innen als auch für die Praxispartner hat.
Frau Dr. Böhm, an welchem Thema/Projekt arbeiten Sie gerade und wer sind die beiden
Arbeitgeber*innen im Tandemprogramm?
Meine beiden Arbeitgeber sind die Ostfalia Hochschule und der Landkreis Wolfenbüttel. Beim
Landkreis Wolfenbüttel bin ich Projektmanagerin für das Verbundprojekt „5G Smart Country“. Ein
aktuell wichtiges Thema umfasst die Organisation von öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen für
unser letztes Projektjahr, z.B. die Abschlussveranstaltung. An der Ostfalia Hochschule lehre ich
Diskrete Strukturen, Privacy und Security und betreue Seminararbeiten und Projekte.
Wann bzw. wie kam es dazu, dass Sie sich für das Tandemprogramm entschieden haben und somit
den Karriereweg HAW-Professur deutlich in den Fokus genommen haben?
Während des Masters und der Promotion habe ich bereits Labore betreut, Vorlesungen unterstützt
und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, den Prozess der Studierenden zu begleiten. Gegen Ende der
Promotion kam dann zum ersten Mal das Gespräch auf die Möglichkeit einer Tandemstelle nach der
Promotion, um weiterhin an der FH bleiben zu können, zusätzlich den notwendigen Praxisanteil zu
erwerben und damit alle Qualifikationen für eine HAW-Professur zu erfüllen. Nach zweieinhalb Jahren
in dieser Position sind für mich auf jeden Fall die Aspekte der weiteren Vernetzung außerhalb der
Hochschule, aber auch die inhaltliche Verknüpfung von Landkreis und Ostfalia in Projekten und
Seminararbeiten positiv hervorzuheben.
Wie kam es zur konkreten Besetzung der Stelle? Gibt es Unterstützung bzw.
konkrete
Ansprechpartner*innen?
Ich hatte das Glück, dass meine Professorin sich sehr für ihr Team einsetzt und sie mich auf
dieses Programm aufmerksam gemacht hat. An der Ostfalia Hochschule gab es einen Ansprechpartner,
der für alle Fragen zur Verfügung stand und mich bei dem Prozess, vorallem an der Hochschule
unterstützt hat.
Wie sieht der alltägliche/wöchentliche Arbeitsablauf und Ihre Aufgabenverteilung bzw. die
Arbeitsorganisation aus? (Sie haben ja letztendlich 2 Arbeitgeber*innen zu je 50%.)
Ich habe mir die Woche aufgeteilt, sodass ich montags und donnerstags für den Landkreis
Wolfenbüttel arbeite, mittwochs und freitags für die Ostfalia Hochschule und dienstags ist jeweils
ein halber Tag. Trotzdem gibt es manchmal terminliche Überschneidungen, bei denen beide
Arbeitgeber*innen glücklicherweise sehr flexibel sind.
Eine Tandemstelle ist aufgrund der Brückenfunktion nicht immer frei von Anstrengungen und
Hindernissen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren und persönlichen Voraussetzungen,
um eine Tandemstelle erfolgreich zu absolvieren?
Für mich persönlich sind zwei Dinge sehr wichtig. Das eine ist die Flexibilität, sich jeden Tag
auf neue Themen, Umgebungen und Menschen einzustellen und auch mal spontan Termine zu verschieben
und bei Bedarf beratend zur Verfügung zu stehen. Das ist besonders in der Zusammenarbeit mit
Kolleg*innen und Studierenden notwendig, da sich wichtige Fragen und Komplikationen nicht immer
nach meinen festgelegten Arbeitszeiten richten. Der zweite Aspekt ist Durchhaltevermögen und
Selbstmotivation, da es sehr herausfordernd sein kann, wenn strukturierte Tagesabläufe nicht immer
wie geplant ablaufen oder geplante Aktivitäten und Tätigkeiten spontan verschoben werden müssen.
Manchmal ist es nicht einfach, allen gerecht zu werden, aber ich bin sehr dankbar, dass alle
Verständnis dafür haben und ich mit allen offen reden kann.
Was ist das Besondere am Tandemprogramm und wo sehen Sie für sich und den Praxispartner die
deutlichsten Vorteile einer Tandemstelle?
Das Besondere ist die Vielfalt der Tätigkeiten und Menschen, die beide Stellen mit sich
bringen. Ich baue mein eigenes Netzwerk auf und sammle wertvolle praktische Erfahrungen außerhalb
des Hochschulkontextes. Durch die zwei Positionen habe ich viele Aufgaben mit Eigenverantwortung
bekommen und wachse täglich daran. Die Vernetzung sehe ich als den wichtigsten Aspekt für den
Praxispartner und die Hochschule. Der Praxispartner profitiert von direkten Kontakten zu
Studierenden, kann Themen z.B. für Seminararbeiten und Projekte platzieren und bekommt Einblicke in
aktuelle Forschungsthemen, für die im Tagesgeschäft weniger Zeit bleibt. Die Hochschule wiederum
erschließt neue Themenfelder oder erweitert bestehende und erhält konkrete Eindrücke, was in der
Praxis relevant ist.
Was raten Sie (Post-)Doktorand*innen, die sich ebenfalls für eine Tandemstelle
interessieren? Können diese im Vorfeld schon aktiv positiven Einfluss auf eine erfolgreiche
Besetzung bzw. den Verlauf nehmen? (Stichwort Praxispartner finden)
Das Wichtigste sind meiner Meinung nach die Kontakte und Netzwerke, die bei Veranstaltungen und
Konferenzen entstehen, aber vor allem Projektpartner, die die Vorteile einer Kooperation und
Zusammenarbeit zwischen Praxis und Hochschule bereits kennen. Wenn euch dieses Programm
interessiert und eure Betreuer*innen oder Professor*innen keinen geeigneten Praxispartner haben,
seid offen und sprecht Firmen direkt an. Hier bieten sich meiner Meinung nach vor allem
Veranstaltungen an, auf denen Firmen für duale Studiengänge werben oder über aktuelle
Forschungsprojekte mit Hochschulen berichten, da dies zeigt, dass grundsätzlich Interesse mit der
Hochschule besteht.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Ein interessantes Videointerview des Career-Services mit Dr. Tanja Böhm finden Sie hier: Interview mit Dr. Tanja Böhm