Weltweit werden Pferde zu kommerziellen und privaten Zwecken halten, darunter sind allein in Deutschland 1,2 Millionen Pferde. Insbesondere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und Verletzungen des Bewegungsapparates, welche beim Reiten und Training von Pferden auftreten können und nicht zwingend sofort erkannt werden, können zum (temporären) Ausfall von Pferden führen und kostspielige Reha-Maßnahmen sowie medizinischen Behandlungen notwendig machen.
Die Prävention und die Vermeidung von Reha-Maßnahmen hängen maßgeblich von der frühzeitigen Diagnose von Anzeichen auf nahende Verletzungen oder Krankheiten ab. Aufgrund langer Wegezeiten der auf Pferde spezialisierten Landtierärzte, geht der Trend zur Niederlassung in Tierkliniken oder Reha-Einrichtungen ohne „Hausbesuche“. Für Pferdebesitzer bedeutet das häufig einen intensiven zeitlichen und logistischen Aufwand zum Aufsuchen der Klinken und Rehaeinrichtungen. Zudem verzögert sich dadurch auch die Diagnose und Behandlung.
Sowohl in der Reha als auch im Training werden bei Pferden häufig Laufbänder und Aquatrainer eingesetzt. Das Lauftraining erfolgt mit an die Leistungsfähigkeit des Pferdes angepasster Geschwindigkeit und Laufbandsteigung. Bei einem Aquatrainer handelt es sich um ein in einer wassergefüllten Wanne befindliches Pferdelaufband, welches durch den Auftrieb des Körpers durch einen individuell angepassten Wasserstand ein besonders gelenkschonendes Training ermöglicht. Die Anpassung von Geschwindigkeit und Steigung im Reha-Betrieb erfolgen bislang manuell durch den Bediener auf Grundlage seiner Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Pferdes, sodass die Qualität der Reha-Maßnahme maßgeblich von der Einschätzung sowie der diagnostischen Erfahrung des Bedieners abhängt.
Aufgrund der Schwierigkeiten und Probleme bei der Prävention von Verletzungen und der Reha von Pferden ist das Ziel des Projektes die Entwicklung des neuartigen, mobil einsetzbaren Systems HorseAID in Kooperation mit der Sandmann Innovation GmbH. Dieses intelligente mechatronische System soll für Pferde (Leistungs-/Breitensport) in folgenden Anwendungen eingesetzt werden:
- Überwachung des Gesundheitszustandes (Herz-Kreislauf-System, Bewegungsapparat), automatisierte Vordiagnose und Prävention zur Vermeidung von Verletzungen und Rehamaßnahmen.
- Unterstützung einer objektiven Diagnose durch Tierärzte/-kliniken mithilfe einer umfassenden Datengrundlage.
- Erweiterung des Funktionsumfangs von Trainings- und Rehageräten zur schnelleren Gesundung der Pferde durch eine vitaldatenbasierte, automatisierte Behandlung.
Das HorseAID setzt sich aus zusammen aus vier Hufmodulen, die die auftretenden Druckkräfte aufnehmen, und einem Brustgurt, der die drahtlos übermittelten Daten verarbeitet. Der Brustgurt verfügt über Sensorik zur Messung von Vitaldaten (Herzfrequenz, Laktatwert), ein Echtzeitsystem als zentrale Informationsverarbeitung mit KI-Algorithmen zur Messdatenauswertung und automatisierten Diagnose sowie drahtlose Kommunikationsschnittstellen zu den Hufmodulen und zum IoT/Trainings- und Rehageräten. Durch die zentrale Informationsverarbeitung und die KI werden die aktuelle Leistungsfähigkeit des Pferdes ermittelt und Vordiagnosen zu Verletzungen und Vorstufen von Verletzungen des Bewegungsapparates ermittelt werden, um Tierärzte bei einer weitergehenden objektiven Diagnose zu unterstützen.
Die aktuelle Leistungsfähigkeit wird basierend auf dem Laktatwert und dem aufgenommenen EKG (Elektrokardiogramm) bestimmt werden, um eine mögliche Erschöpfung in Echtzeit abschätzen und im weiteren Training berücksichtigen zu können. Des Weiteren können durch die Überwachung in Echtzeit kurzfristige Anomalien, wie eine zu hohe Herzfrequenz unter Belastung festgestellt werden. In einem langen Betrachtungshorizont können, wie bei einem Langzeit-EKG, auch problematische Muster über Ruhe- und Belastungsphasen hinweg erkannt werden, welche auf Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems hindeuten können und einer weiteren Untersuchung durch einen Tierarzt bedürfen. Als wesentliche Probleme des Bewegungsapparates sollen u. a. Sehnenerkrankungen, Fesselträgerschäden, Rückenprobleme und Kissing Spines erkannt werden. Diese werden durch Auswertung der aufgenommenen Druckkräfte der Hufmodule mithilfe der KI ermittelt, welche Symptome wie das Lahmen, eine asymmetrische Hufbelastung oder falsches Abfußen detektiert.
Die IoT-Schnittstelle des HorseAID ermöglicht zum einen die Weitergabe von Informationen an den Besitzer oder den Tierarzt. Diese werden über relevante Ereignisse und Zustände informiert und können die Daten bedarfsspezifisch weiterverarbeiten und auswerten. Es bietet sich zudem die Möglichkeit, anonymisierte Gesundheitsdaten bereitzustellen und diese für die Verbesserung des HorseAID durch weiteres Training der KI zu nutzen. Zum anderen wird die Schnittstelle dazu verwendet, die aktuelle Leistungsfähigkeit bzw. Erschöpfung und mögliche Verletzungen an die Trainingsgeräte zu übermitteln. Mit der Berücksichtigung der zusätzlichen Informationen lassen sich die Trainingsfunktionen optimieren und so Verletzungen vorbeugen und auch zielgerichtet behandeln. So kann die Leistungsfähigkeit von Pferden wiederhergestellt werden, erhalten bleiben und sogar gesteigert werden.
Projektbearbeitung:
- Leitung: Prof. Dr.-Ing. Xiaobo Liu-Henke
- Mitarbeiter: Jia Zhang
Nachwuchsförderung: Im Rahmen des Projekts ist eine umfangreiche Förderung des Ingenieursnachwuchses vorgesehen. Kern dieser Förderung sind zahlreiche studentische Arbeiten.
Wirtschaftliche Parter:
Förderung: Das Projekt wird unter dem Förderkennzeichen KK5243802BM1 vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.