Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO
Nach derzeitigem Erkenntnisstand liegt mit dem sogenannten "Wirecard Skandal" einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte vor: Das wohl defizitäre Geschäftsmodell der börsennotierten Wirecard AG wurde über Jahre hinweg durch einen organisierten Bilanzbetrug überdeckt, bei dem insbesondere Gelder auf ausländischen Treuhandkonten vorgespiegelt wurden.
Diese Erkenntnisse wurden dem Kapitalmarkt seitens der Gesellschaft vorenthalten. In der Folge erwarben möglicherweise eine Reihe von Anlegern Aktien der Gesellschaft zu einem Kaufpreis, der durch diese Information unbeeinflusst, also "zu hoch" war. Hieraus könnten sich Schadensersatzansprüche für die betroffenen Anleger ergeben.
Am 25.08.2020 wurde das Insolvenzerfahren über das Vermögen der Wirecard AG eröffnet (Amtsgericht München, 1542 IN 1308/20). Die knappe Insolvenzmasse wird, wie bei solchen Verfahren üblich, nicht zur Befriedigung aller Gläubiger in nominaler Höhe ausreichen, vielmehr wird nur eine quotale Befriedigung (Insolvenzquote) stattfinden.
Diese Insolvenzquote fällt naturgemäß höher aus, wenn eine Verteilung an weniger Gläubiger erfolgen muss. Vor diesem Hintergrund sind die getäuschten Anleger in das Visier der sonstigen Gläubiger geraten: Die getäuschten Anleger sollen an einer Verteilung der Insolvenzmasse nur nachrangig teilnehmen, womit sie im wirtschaftlichen Ergebnis leer ausgehen, da selbst eine volle Befriedigung der angeblich vorrangigen sonstigen Gläubiger in der Regel nicht erfolgen kann.
Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass es für diese massive Schlechterstellung der getäuschten Anleger keinen Grund gibt. Vielmehr bekleiden ihre Schadensersatzansprüche den gleichen Rang wie die Ansprüche aller anderen Gläubiger und sind in Höhe der zu bildenden Insolvenzquote zu befriedigen.
Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (NZI), Heft 8 2021, S. 302-308