In unserer Reihe „Absolventinnen und Absolventen im Interview“ können wir Ihnen heute einen weiteren, interessanten Werdegang eines Absolventen unseres Studiengangs Energie- und Gebäudetechnik vorstellen. Sebastian Milter hat sich nach einer Ausbildung und anschließender Weiterbildung zum Meister für ein Studium bei uns entschieden - der gute Ruf der Gastechnik hat ihn nach Wolfenbüttel gezogen. Aber lesen Sie selbst...
Das Interview führte Dekanatsreferentin Dipl.-Päd. Katrin Peukert im Juli 2014.
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Katrin Peukert (Pe): Hallo Herr Milter. Wir haben uns zuletzt vor zwei Jahren auf dem Stammtisch der Fakultät Versorgungstechnik gesehen. Seitdem ist bestimmt einiges in Ihrem Berufsleben passiert. Die Liegenschaftspläne an den Wänden verraten es auch schon ein bisschen. Doch bevor Sie davon berichten werden, erzählen Sie uns bitte, wie Sie auf unseren Studiengang Energie- und Gebäudetechnik gekommen sind.
Sebastian Milter (Mi): Vor Beginn meines Studiums habe ich eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker in der Fachrichtung Versorgungstechnik sowie eine Weiterbildung zum Rohrnetzmeister bei einem regionalen Versorgungsunternehmen in der Harz-Heideregion erfolgreich abgeschlossen. Der Beginn meiner beruflichen Laufbahn war geprägt durch die Arbeit in der öffentlichen Gasversorgung. Zu diesem Zeitpunkt wurden sämtliche Neubauten in unserem Versorgungsgebiet über Gasbrennwerttechnik mit Wärme versorgt. Das Erdgas hatte damals einen „ sauberen, zuverlässigen und kostengünstigen Ruf“ und über alternative Versorgungsmöglichkeiten haben sich nur wenige Gedanken gemacht. Das war 2001!
Seit dieser Zeit hat sich viel durch politische Fördermaßnahmen von erneuerbaren Energien und das undurchsichtige Preismanagement der vier großen Energieversorgungsunternehmen getan. Aufgrund des Vormarsches der alternativen und erneuerbaren Energien habe ich mich dann immer mehr für diese Arten der Wärmeversorgung interessiert und mich grundsätzlich für ein Studium entschieden.
Pe: Damit war der Studienwunsch also klar.
Mi: Ja. Und da ich in einer ländlichen Region sowie mit der Gastechnik groß geworden bin, hat mich vor allem die Erzeugung von Biogas besonders interessiert. Der Studiengang EGT an der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel war mir bereits durch meine berufliche Praxis und den sehr guten Ruf der Hochschule in der Gastechnik bekannt. Trotzdem habe ich mich zunächst deutschlandweit über mehrere Studiengänge informiert. Schließlich hatte ich eine wichtige Entscheidung zu treffen! Durch die gesammelten Informationen über die unterschiedlichen Studiengänge und Eingrenzung meines gewünschten Themenschwerpunktes habe ich schnell festgestellt, dass sich EGT erneut herauskristallisierte. Ich wollte Versorgungstechnikingenieur werden! Und später nicht als Bio-, Chemie- oder Maschinenbauingenieur arbeiten. Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut, da ich fachlich breit aufgestellt und somit beruflich flexibel bin.
Pe: Waren die Studieninhalte so, wie Sie sich diese vorgestellt hatten?
Mi: Grundsätzlich richtig. Jedoch war mein Studienbeginn relativ „holprig“. Das
lag nicht nur daran, dass ich aufgrund eines Kreuzbandrisses mein erstes Semester mit
Unterarmgehstützen beginnen musste, sondern auch an meinen mathematischen Defiziten. Ich konnte
gesundheitlich bedingt an keinem der Vorkurse teilnehmen und während meiner Meisterausbildung, die
als Hochschulzugangsberechtigung gewertet wird, wurde sich mit der mathematischen Auslegung nicht
so intensiv wie im Studium auseinander gesetzt. So hatte ich einiges aufzuholen. Hinzu kam, dass
ich meine Meisterausbildung im Selbst- bzw. Fernstudium absolviert hatte und somit war ich das
selbstständige Lernen gewohnt. Diese Lernstrategie habe ich zunächst weiter verfolgt. Im Laufe des
ersten Semesters habe ich dann aber sehr schnell gemerkt, dass ich was umstellen musste. Nicht nur
ich konnte der Vorlesung schwer folgen, sondern auch einige meiner Kommilitonen. Deshalb haben wir
dann Lerngruppen gebildet und uns zusammen sehr intensiv mit der Mathematik auseinandergesetzt. Je
länger wir als Lerngruppe zusammen waren, desto mehr wurde das Mathelernen zu einer echten „
Matheparty“. Matheparty deshalb, weil wir uns neben dem Lernen auch den Spaß an der Sache erhalten
haben. Und schließlich haben wir alle auch dieses Fach bestanden.
Pe (schmunzelt):
Ich nehme an, Sie haben diese spezielle Lernform weiter beibehalten?
Mi: Genau. Im weiteren Verlauf des Studiums wurde aus der „Matheparty“ einfach eine „Thermo- oder auch Projektparty“. Selbstverständlich wurden auch andere Partys gefeiert. Grundsätzlich passt zu dem Verlauf meines Studiums der ehemalige Werbeslogan der Ostfalia. Also ich meine den Satz „Die Mischung macht’s!“. Wobei die Ostfalia diesen sicherlich anders interpretiert hat als ich. Mein Fazit: Trotz des holprigen Starts bin ich im Laufe des Studiums gut zurechtgekommen. Mein technisches Interesse, das gemeinsame Lernen mit Freunden, gepaart mit einer angenehmen dörflichen Atmosphäre auf dem Campus, das alles waren die perfekte Mischung, um mein Studium erfolgreich und sogar mit dem „DVGW Studienpreis Gas“ abzuschließen.
Pe: Viele unserer Studierenden müssen neben dem Studium arbeiten gehen. War das bei Ihnen auch so?
Mi: Ich hatte meine Berufs- und Meisterausbildung mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen und habe daher vom Bundesministerium für Forschung und Bildung ein Aufstiegsstipendium verliehen bekommen. Somit war ich finanziell abgesichert. Trotzdem habe ich in den Semesterferien gearbeitet. Ich wollte mein berufliches Netzwerk pflegen und mir den Bezug zur beruflichen Praxis bewahren. Hauptsächlich war ich bei öffentlichen Versorgungsunternehmen in der Region tätig.
Pe: Das klingt sinnvoll. Haben Sie dadurch weitere berufliche Erfahrungen sammeln können?
Mi: Ja, absolut. Ich habe einen besonderen Schwerpunkt darauf gelegt, andere praktische Berufsfelder kennenzulernen. Aus meiner beruflichen Laufbahn war mir bekannt, dass einige Führungskräfte den Bezug zu praktischen Tätigkeiten leider „etwas“ verloren haben. Aus diesem Grund habe ich auch versucht, in mir bis dahin unbekannten Aufgabenbereichen zu arbeiten. Während meiner Tätigkeiten habe ich z.B. auch den Schichtdienst in einer Produktionsstätte kennengelernt. Eine für mich wichtige Erfahrung, die ich vor Beginn meines Studiums noch nicht gemacht hatte. Dieser kurze Einblick in eine Arbeitsweise mit einem fest definierten Takt und vergleichsweise geringem Verdienst lässt einen weit über den bekannten Tellerrand schauen. Ich kann nur jedem Studierenden ebenfalls zum Ausprobieren von solchen ingenieursfremden Aufgaben raten. Dabei entwickelt sich ein Gefühl für die Arbeit und Menschen in anderen Tätigkeitsgebieten und genau dies kann bei späteren Führungsaufgaben eine wichtige Kompetenz sein.
Pe: Sind Sie dann bei der Gasversorgung geblieben oder wurden die neuen Berufsfelder für Sie immer interessanter?
Mi: Meine Bachelorarbeit habe ich tatsächlich noch bei einem Unternehmen der öffentlichen Gasversorgung geschrieben. Auf die Arbeit selbst bin ich durch ein Gespräch mit Herrn Prof. Dr.-Ing. Benno Lendt aufmerksam geworden und bin somit wieder in der Gasbranche gelandet. Nach der Beendigung meiner Bachelorarbeit hätte ich auch die Möglichkeit gehabt, in der Branche zu bleiben. Aber mein fachliches Interesse hatte sich durch das Studium maßgeblich erweitert und ich habe mich dann dazu entschieden, nochmal etwas anderes auszuprobieren und wollte als Planungsingenieur in die technische Gebäudeausstattung und industrielle Energietechnik wechseln. Ich hatte mich dann bei den zahlreichen Beiratsunternehmen unserer Fakultät mit einer Initiativbewerbung vorgestellt und sofort eine Festeinstellung von der PROTEC Planungsgesellschaft in Braunschweig angeboten bekommen.
Pe: Ende gut, alles gut? Womit beschäftigen Sie sich derzeit?
Mi: Der lange Weg hat sich gelohnt. Das kann ich rückblickend wirklich so sagen.
Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren bei der PROTEC beschäftigt und habe somit schon bei mehreren
Projekten mitgewirkt. Primär habe ich in der Gebäudetechnik gearbeitet, wobei ich in allen
Gewerken, also Heizung, Lüftung, Kälte und Sanitär eingesetzt worden bin. Ich habe mir in den
letzten eineinhalb Jahren ein gutes Basiswissen für diesen Bereich angeeignet. Meiner Meinung nach
baut die Arbeit in einem Planungsbüro sehr gut auf das Gelehrte an der Hochschule auf. Durch die
Arbeit mit einer guten Planungssoftware hat man viele Möglichkeiten, technische Prozesse zu
simulieren und zu berechnen. Wenn man dazu noch die Möglichkeit hat, die Anlagen, die man selber
geplant hat, ganz real in der Praxis zu sehen, dann ist das schon ein echt geiles Gefühl. Man kennt
die Anlage perfekt und weiß beim Blick auf ein Manometer genau, welcher Massenstrom gerade durch
die Anlage fließt. Spätestens dann weiß man, warum man Ingenieur geworden ist.
Pe:
Können Sie das Gefühl überhaupt noch toppen? Wie geht es zukünftig weiter?
Mi: Das ist eine gute Frage. So richtig habe ich mir darüber noch keine Gedanken
gemacht. Nach gut zehn Jahren Bildungsweg habe ich die letzten eineinhalb Jahre genossen, mal kein
schlechtes Gewissen zu haben, wenn man am Wochenende mal nicht gelernt hat. Eins steht aber fest,
in der Energiebranche wird es in den nächsten Jahren sicherlich nicht langweilig werden. Viele
interessante Aufgaben warten auf uns Ingenieure. Wo und wie ich diese erleben werde oder ob ich ein
Masterstudium beginne, hängt von mehreren beruflichen, persönlichen Faktoren und Perspektiven ab.
Derzeit sind einige von der PROTEC geplanten Anlagen im Bau, die ich gerne in der Praxis sehen
möchte und weitere neue interessante Projekte stehen an.
Pe:
Welchen "goldenen Tipp" haben Sie für unsere Studierenden parat?
Mi: Wie bereits schon erwähnt, kann ich jedem nur empfehlen, das Studium nicht im
Alleingang, sondern gemeinsam mit anderen zu bestreiten. Man lernt somit nicht nur schneller und
intensiver, sondern man eignet sich auch viele wichtige Fähigkeiten an, die in der Wirtschaft
gefragt sind. Zum Beispiel ist Kommunikationsfähigkeit ganz besonders wichtig, wenn es darum geht,
meinen Kunden oder auch meinem Chef einen technischen Prozess zu erklären oder zu erläutern, wie
man etwas noch besser machen könnte. Wie oft haben wir in einer Lerngruppe über Lösungswege
diskutiert oder Zeit damit verbracht, gemeinsam einen Lösungsweg zu entwickeln. Da man in einer
Klausurenphase nur wenig Zeit hat, lernt man, sich effektiv auszutauschen und anderen
Gruppenmitgliedern etwas verständlich zu erklären. Genauso geht es in der späteren beruflichen
Praxis weiter. Außerdem bilden sich auch weitere wichtige Fähigkeiten aus. Neben Kritik- ist es vor
allem auch die Teamfähigkeit. Man lernt neben der eigenen auch alternative interessante Sichtweisen
kennen und schätzen.
Pe:
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Milter. Jetzt haben wir die Zeit einfach überzogen.
Mi: Kein Problem. Das habe ich sehr gerne gemacht.