Erfahrungsbericht Mexico
Die Wirtschaftsrecht-Studentin Neele Bartels verbrachte ihr 1. Praxissemester von August 2018 bis Februar 2019 bei Volkswagen de Mexico.
Die Wirtschaftsrecht-Studentin Neele Bartels verbrachte ihr 1. Praxissemester von August 2018 bis Februar 2019 bei Volkswagen de Mexico.
„Mexiko, das hört sich nach Tacos, Tequila und Sombreros an.“ „Mexiko, was willst du denn dort? Dort ist es doch viel zu gefährlich?“ Das sagten mir viele, als ich ihnen erzählte, dass ich für mein erstes Praxissemester nach Mexiko gehen würde.
Aber es ist viel mehr als das! Es ist wirklich eine komplett andere Welt im Vergleich zu Deutschland: Für mein WG – Zimmer brauche ich keinen Mietvertrag, zwischendurch kommt der Vermieter und nimmt die Miete bar mit. Im ersten Monat konnte ich an einer Hand abzählen, wie oft ich morgens warm duschen konnte. Busse haben keine festen Abfahrzeiten, ich stelle mich einfach an die Straße und strecke die Hand raus und wenn ich aussteigen muss, rufe ich halt durch den ganzen Bus. Und ob der Bus nun eine komplett gerissene Windschutzscheibe hat, Löcher in den Fenstern oder die Türen nicht zugehen, ist auch nicht schlimm. Regeln im Straßenverkehr gibt es keine, zumindest hält sich niemand daran – normalerweise ist hier das Limit auf den Autopistas bei 80 km/h, die verbreitetere Regel der Mexis lautet aber: „Fahr so schnell, wieviel du der Polizei bezahlen kannst."
Kommst du eine Stunde „zu spät“ zu einer Verabredung, bist du hier noch pünktlich. Die Tiendas (vergleichbar mit Tante Emma Läden) haben keine Kassen, es wird alles mit einem Taschenrechner oder auf Papier schriftlich ausgerechnet; und um wirklich alle Lebensmittel zu bekommen, die ich benötige, ist schon mal der Besuch bei mehreren Tiendas nötig. Dies und vieles mehr war für mich am Anfang wirklich gewöhnungsbedürftig, wenn man es nicht anders als aus dem perfekt organisierten Deutschland kennt.
Auf der anderen Seite sind die Mexikaner unglaublich liebenswürdige Menschen. Auch wenn du jemanden nicht wirklich kennst, nimmt er dich freundlich auf, nennt dich direkt deinen „Amigo“ und du wirst total oft einfach angesprochen und in Gespräche verwickelt – Dinge, die einem in Deutschland auf der Straße nie passieren würden. Zudem sind die Mexikaner unglaublich stolz auf ihr Land und besonders auch auf ihr Essen: Quesadillas, Enchiladas, Chilanquiles, Tacos in allen möglichen Varianten, Elotes, Cemitas und natürlich ganz viel Tequila. Gerade das Nachtleben und die Tanzkultur von Mexiko sind mit Deutschland nicht ansatzweise zu vergleichen. Die Mexikaner finden jeden Tag einen Grund für eine Fiesta (einmal war in meiner Straße drei Tage lang unter der Woche eine große Fiesta mit Zelt, ich habe nachgefragt und der Grund war der einjährige Todestag der Großmutter).
Vor allem die Freundlichkeit und das Arbeitsklima in meiner Abteilung bei Volkswagen de México sind unübertrefflich.
Jeden Morgen begrüßt sich jeder mit Küsschen auf die Wange, Umarmung und Smalltalk, der schon mal die ganze erste Stunde der Arbeitszeit gehen kann. Hier in Mexiko ist es unglaublich wichtig mit allen ein eher inniges Verhältnis zu haben. Selbst mit meiner Praktikumsbetreuerin ist es schon eine richtige Freundschaft geworden, wir gehen nach der Arbeit ab und zu zusammen aus, sie hat mich für ein Wochenende in den Heimatort ihrer Eltern eingeladen und es ist überhaupt nicht distanziert oder hierarchisch wie es in Deutschland wäre. Beim Arbeiten lassen sich die Stereotypen schon ein wenig bestätigen, dass es eher langsamer und weniger effizient als in Deutschland ist, aber dafür haben hier wirklich die Meisten Spaß auf der Arbeit. Fristen können ruhig mal verschoben werden und das findet dann auch keiner schlimm.
Außer in gemischten Abteilungen mit Mexikanern und Deutschen kommt es durch die kulturellen Unterschiede ab und zu schon zu Unstimmigkeiten. Herausfordernd für die Mexikaner ist die Direktheit der Deutschen. Im Rahmen unseres Praktikums besuchen wir monatlich Seminare und eins war zu dem Thema interkulturelle Unterschiede auf der Arbeit, indem wir erstmal lernen mussten indirekt Dinge anzusprechen oder Mails indirekt zu schreiben, was für uns Deutsche eher ungewohnt ist. Z.B. bei Meetings mit Präsentationen würde ein Deutscher direkt seine Meinung sagen, der Mexikaner schmückt es alles immer sehr aus – und auch wenn ihm die Präsentation nicht gefallen hat, gibt er viele positives Feedback und am Ende vielleicht nur einen Satz mit Verbesserungspotential. Auch bei den Mails ist es ähnlich: Was ein Deutscher in einem Satz schreibt, schreibt ein Mexikaner in fünf Sätzen mit vielen (in unseren Augen) unnötigen Floskeln. Insgesamt denke ich jedoch schon, dass die strukturierte deutsche Kultur und entspannte mexikanische Kultur sehr gut harmonieren.
Allgemein als Praktikantin hier bei Volkswagen Mexiko ist es echt empfehlenswert. Wir wohnen alle in Häusern/ WGs von Volkswagen im Viertel Cholula, San Andrés von Puebla – hier befinden sich neben der teuersten Uni von Mexiko (UDLAP) die meisten Clubs und Bars von Puebla, sodass hier von Mittwoch bis Sonntag abends/nachts immer was los ist und die meisten Einwohner hier alle unserem Alter entsprechen. Hin und zurück zur Arbeit fahren gratis Werksbusse (Dauer ca. 30 – 40min) und auch das Mittagessen in einer der 14 Kantinen ist jeden Tag frei. Das Werk hier in Puebla ist das zweitgrößte nach Wolfsburg, in dem der Beetle, der Jetta, der Tiguan und der Golf/ Golf Variant produziert werden. Insgesamt arbeiten hier 14.000 Personen und es ist wie eine kleine Stadt. Auf dem Gelände sind alle wichtigen mexikanischen Banken vertreten, es gibt eine Art kleines Krankenhaus, in dem man auch als Praktikant umsonst zum Arzt gehen kann, zwei Supermärkte und eine Apotheke. Außerdem hat Volkswagen Mexiko hier seine eigene Sprachschule, in der man während der Arbeitszeit Sprachkurse, für die deutschen Praktikanten hauptsächlich Spanisch, nehmen kann. Des Weiteren gibt es im Nachbarort von San Andrés den Club Deportivo (Sportzentrum von VW), in dem alle Mitarbeiter mit dem Werksausweis Eintritt zu einem Fitnessstudio, einer Laufbahn und einem Schwimmbecken haben.
Besonders wichtig sind hier auch das Aussehen und die Ästhetik. Die Mexikanerinnen sind immer perfekt gekleidet mit Kleidern, High Heels und viel Make-Up, Schmuck (alles ganz nach dem Motto „ mehr ist mehr“), was in Deutschland wahrscheinlich eher negativ ankommen würde – jeder Tag ist hier wie eine kleine Modenschau (nur Freitag gilt „casual friday“, an dem man auch in Jeans kommen darf). Nach der Mittagszeit gehen fast alle immer zur Toilette um sich neben dem Auffrischen ihres Make-Ups auch die Zähne zu putzen, das war für mich am Anfang auch echt seltsam auf der Arbeit.
Mexiko hat außerdem super viele schöne Orte von Stränden über Naturparks mit Wasserfällen etc. und Städte zu bieten, sodass man jedes Wochenende unterwegs sein kann.
Ich hoffe ich konnte euch damit einen kleinen Einblick in mein Praxissemester in Mexiko geben und bei weiteren Fragen könnt ihr euch auch gerne direkt per Mail (neele.bartels@web.de) bei mir melden.