Stay Curious!

Erfahrungsbericht über ein Wintersemester an der „Arcada University of Applied Sciences“ in Helsinki, Finnland.

Der geneigte Leser wird sich sicherlich fragen, was einen Studenten der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften dazu bewegt, sein angehendes Wintersemester gerade im besonders kalten und dunklen Finnland zu verbringen, zumal die Finnen landläufig als schweigsam, eigensinnig und etwas sonderbar beschrieben werden. Für das von mir schon immer angestrebte Auslandssemester standen bei meiner Studienrichtung auch wärmere und bekanntere Studienorte zur Auswahl. Für Finnland habe ich mich aber letztendlich entschieden, weil zum einen die Arcada University of Applied Sciences in Helsinki in englischer Sprache lehrt und es sich zum anderen bei Finnland um ein Land handelt, das unter Studenten nicht so populär und von daher etwas besonderes ist.

Wie häufig im Leben beginnt auch ein Auslandssemester mit einer Fülle von Formularen, Anträgen und Bescheinigungen. Gute Nerven und Beharrlichkeit sind hierbei sicherlich von Vorteil. Niemals aufgeben! Irgendwann ist auch das letzte Formular unterschrieben! Das Buchen der Flüge und die übrigen Reisevorbereitungen sind dagegen ein Kinderspiel. Auch wenn die von der Mutter "wärmstens" empfohlene Winterkleidung nicht vollständig in den Koffer passte.

Arcada: Dom von HelsinkiHelsinki empfing mich Ende August bei strahlendem Sonnenschein, ebenso strahlend wie das Lächeln der finnischen Tutorin, die mich am Flughafen in Helsinki in Empfang nahm. Helsinki verfügt über eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur, so dass wir schnell und mühelos mein Domizil für die nächsten 4 Monate erreichten. Die Wohnung war modern und gut ausgestattet. Ich teilte sie mir mit einem Franzosen und einem Süd-Koreaner. Jeder hatte sein eigenes Zimmer. Darüber hinaus gab es zwei Badezimmer, einen Gemeinschaftsraum mit Kochzeile und Balkon. Eine Vielzahl von Austauschstudenten aus der ganzen Welt wohnte ebenfalls in diesem Gebäude, das übrigens in Sichtweite zur Hochschule lag.

Die Hochschule hat sich von Anfang an intensiv um uns Austauschstudenten gekümmert. Zum Kennenlernen der Stadt, der finnischen Kultur und der anderen Kommilitonen haben sich die finnischen Tutoren sehr viel Mühe gegeben. Neben einer Stadtrally wurden viele Partys und Saunaabende organisiert. Zur Sauna haben die Finnen bekanntermaßen ein ganz besonderes Verhältnis. Bei meiner Ankunft war ich noch überrascht, vor meiner Wohnung eine Gruppe von verschwitzen, dampfenden Männern anzutreffen, die lediglich mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidet waren. Dies hat sich aber im Laufe meines Aufenthalts als ganz normal herausgestellt. Allein zu meinem Wohnblock gehörten vom Keller bis zum Dach mehrere Saunen, welche ich kostenfrei nutzen konnte.

Die Arcada ist hochmodern ausgestattet, technisch auf dem neuesten Stand, verfügt über sehr gepflegte Hörsäle und hat den Leitsatz "Stay Curious" (bleib wissbegierig) als Motto. Auch ein Fitnessraum und eine leckere Mensa tragen zu einem guten Lernklima bei.

Ungewöhnlich war zunächst, dass auch die Professoren mit ihrem Vornahmen angesprochen wurden. Das ist aber in Skandinavien üblich und sollte einen nicht dazu veranlassen, den notwendigen Respekt vermissen zu lassen. Auch wenn es sich bei der Arcada um eine der wenigen schwedischsprachigen Universitäten in Finnland handelt, wurden die von mir besuchten Vorlesungen in englischer Sprache gehalten. Im Gegensatz zur finnischen Sprache, die zu erlernen wohl eine Lebensaufgabe darstellen würde, ist Schwedisch nicht nur wohlklingend, sondern für Deutsche auch relativ leicht zu erlernen. Schon nach wenigen Wochen konnte ich mich in einfachen schwedischen Sätzen ausdrücken. Jag heter Justus. Jag studerar på Arcada...

Um den Vorlesungen folgen und die Klausuren bewältigen zu können, sind gute schriftliche und mündliche Kenntnisse der englischen Sprache nach meiner Einschätzung zwingend erforderlich. Das gilt auch für das tägliche Leben. Denn die Finnen sprechen neben ihrer Muttersprache häufig nicht nur Schwedisch, sondern auch ein hervorragendes Englisch.

Finnland ist für seine hohen Lebenshaltungskosten bekannt, insbesondere die hohe Alkoholsteuer treibt nicht nur Studenten Sorgenfalten ins Gesicht. Aber letztendlich hat sich auch für dieses Problem eine pragmatische Lösung aufgetan. Schnell haben wir erkannt, dass die Finnen ausgesprochen gerne Kurzreisen über die Ostsee in das benachbarte Estland nach Tallinn unternehmen und mit gefüllten Koffern zurückkehren. Tallinn überzeugt aber auch durch eine wunderschöne, mittelalterliche Altstadt.

Neben diesen Touren über die Ostsee wurden uns über das „Erasmus Student Network- Metropolia“ auch organisierte Reisen nach St. Petersburg, Lappland usw. angeboten.

Arcada: Husky-TourMeine einwöchige Fahrt nach Lappland mit Husky-Touren, Polarlichtern und Eisbaden werde ich nie vergessen! Hier in Lappland hätte ich auch die aus Platzgründen in Deutschland zurückgebliebene Winterkleidung gebrauchen können. Ansonsten war Helsinki mitnichten so kalt und dunkel wie es häufig dargestellt wird.

Ich habe nicht einen einzigen Tag meines Auslandssemesters in Helsinki bereut. Finnland ist ein tolles und modernes Land. Helsinki eine absolut lebenswerte Stadt und an der Hochschule habe ich internationale Freundschaften geschlossen, die mit absoluter Sicherheit über den Aufenthalt in Finnland hinaus bestehen und bereits jetzt zu gegenseitigen Besuchen in Holland, Frankreich und Deutschland geführt haben.

Ich bedanke mich bei der Ostfalia und bei Erasmus für die Unterstützung.

"Kiitos, Kiitos" and "Stay Curious"!


Text und Fotos: Justus Hagebölling