Zeitzeug*innen im Interview
Prof. Dr. Rosemarie Karger
Nach Studium und Promotion an der Universität Hannover im Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen wurde Prof. Dr. Rosemarie Karger im Jahr 1996 an die damalige Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel berufen. Im Fachbereich Versorgungstechnik lehrte sie als Professorin für Wasserversorgung und Sanitärtechnik und leitete 2003 bis 2005 als Dekanin die heutige Fakultät Versorgungstechnik. Von 2004 bis 2014 war sie Vizepräsidentin für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Seit 2014 ist Prof. Dr. Rosemarie Karger die erste Präsidentin der Ostfalia Hochschule.
Ostfalia-Redaktion:
Vor rund 50 Jahren wurden zahlreiche Fachhochschulen gegründet und so ein
Grundstein für die Erfolgsgeschichte der heutigen Hochschulen für angewandte Wissenschaften gelegt.
Was macht aus Ihrer Sicht diesen Hochschultyp so besonders?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Aus meiner Sicht blicken die früheren Fachhochschulen und heutigen Hochschulen für
angewandte Wissenschaften definitiv auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Wir bieten den Studierenden
in Studium und Lehre von Anfang an einen starken Bezug zur beruflichen Praxis. Im Mittelpunkt
unseres Handelns stehen seit nunmehr 50 Jahren eine anwendungsbezogene Lehre auf wissenschaftlicher
Grundlage sowie in den letzten Jahrzehnten zunehmend das interdisziplinäre Arbeiten. Standen in
unseren Anfangsjahren fast ausschließlich Lehraufgaben im Fokus unserer Arbeit, so treibt die
Hochschule seit den 1990er Jahren auch sehr erfolgreich die anwendungsbezogene Forschung und die
Weiterbildung voran. Auch im Vergleich zu Universitäten sehen wir unsere Praxisorientierung als
zentrales Merkmal dieses Hochschultyps. Wir leisten einen wichtigen Beitrag zum Wissens- und
Technologietransfer in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft. Unser Bildungsangebot eröffnet den
Studierenden beste Chancen, sich auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu qualifizierten Fach-
und Führungskräften zu entwickeln. Wir bilden berufsqualifizierend aus und ermöglichen unseren
Studierenden einen guten Start in die Arbeitswelt. Deshalb legen wir bei unseren Lehrenden großen
Wert auf Praxiserfahrung. Die Studienzeit integriert zahlreiche Projekt- und Praxisphasen und wir
verbessern stetig unsere Lehr- und Lernbedingungen. Die Vielfalt der Kompetenzen, Persönlichkeiten
und Erfahrungen macht unsere Hochschule so besonders!
Ostfalia-Redaktion:
Seit 2009 agiert die Hochschule unter dem Namen „Ostfalia“. Die Hochschule vereint unter
diesem Namen vier Standorte und 12 Fakultäten. Wie würden Sie die Ostfalia Hochschule in drei
Worten beschreiben?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
- praxisorientiert
- vielfältig
- interdisziplinär
Ostfalia-Redaktion:
In jedem Semester kommen neue Studierende an die Ostfalia Hochschule. Welche Tipps
würden Sie Erstsemesterstudierenden aus Ihrer Erfahrung mit auf den Weg geben?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Das Studium ist eine neue, spannende, aber auch herausfordernde Zeit. In allen
unseren Modulen, Vorlesungen und Seminaren wollen wir Ihnen ein gutes Rüstzeug für Ihren späteren
Beruf mitgeben. Deshalb ist uns eines besonders wichtig: Seien Sie in Ihrem Studium aktiv, stellen
Sie Fragen und hinterfragen Sie Inhalte. Unsere Lehrveranstaltungen leben von neugierigen und
forschenden Studierenden, die auch kritisch sind. Neben Ihrer eigenen Initiative zählt im Studium
natürlich auch das gemeinsame Arbeiten. Bilden Sie Lerngruppen, tauschen Sie sich aus und vernetzen
Sie sich! Die Hochschule bietet auch unterschiedliche Unterstützungsangebote, die Ihnen helfen
können, den Studienalltag zu meistern. So stehen Ihnen zum Beispiel Tutor*innen, Lerncoaches und
viele überfachliche Beratungs- und Studienangebote zur Seite. Im Studium wollen wir Ihnen nicht nur
fachliche Inhalte vermitteln - nutzen Sie an der Ostfalia die Chance, Ihre eigene Persönlichkeit
und Ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln. Bringen Sie sich ein und gestalten Sie mit. Neben Lernen
und Prüfungen bietet das Studium so zahlreiche Möglichkeiten, über den eigenen (auch fachlichen)
Tellerrand hinauszuschauen. Die Arbeit in studentischen Initiativen, ein Engagement in der
Hochschulpolitik oder auch ein Semester im Ausland – all das kann Ihre Erfahrung und Persönlichkeit
bereichern. Und: Genießen Sie ihre Studienzeit bei uns! Sie werden hier viele Erinnerungen sammeln,
an die Sie in ihrem späteren Leben gerne zurückdenken werden.
Ostfalia-Redaktion:
Die Hochschule blickt auf fünf erfolgreiche Dekaden zurück. Welche wesentlichen
Veränderungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Die Hochschule konnte in den letzten Dekaden ein großes Wachstum verzeichnen.
Dieses Wachstum ist natürlich auch immer mit einem Wandel und einer Weiterentwicklung in allen
Hochschulbereichen verbunden. An den vier Standorten entstehen in dieser Zeit neue Gebäude, in
denen die Lehre und Forschung unserer 12 Fakultäten weiter vorangetrieben wird. In den letzten 50
Jahren sind kontinuierlich innovative Studiengänge, Forschungsansätze und natürlich Generationen
von Studierenden hinzugekommen. Auch für die Zukunft der Hochschulen stellen sich wichtige Fragen:
Wie soll die Hochschule im Jahre 2030 aussehen? Welche Herausforderungen kommen auf uns zu und
welche Schwerpunkte wollen wir setzen? Als Auftakt zu weiterem Wandel hat die Hochschule im Jahr
2020 über ein neues Strategiekonzept diskutiert, das die Richtung der Ostfalia bis zum Jahr 2030
definiert. Bei all diesen Veränderungen ist es natürlich wichtig, dass die personellen Ressourcen
mit den Anforderungen mitwachsen. Wir sind auch weiterhin bestrebt, die Personalressourcen zu
verbessern, um eine gute Betreuung der Studierenden langfristig sicherzustellen.
Ganz persönlich freue ich mich bei allen Veränderungen in und um die Hochschule über den stetig wachsenden Frauenanteil unter den Hochschulangehörigen. Als ich hier angefangen habe, gab es noch in etlichen Fakultäten keine einzige Professorin. Das sieht heute ganz anders aus. Wir sind zwar noch weit entfernt von einer gleichmäßigen Beteiligung, aber immerhin im Präsidium haben wir schon einen 50%-Anteil erreicht.
Ostfalia-Redaktion:
Die Hochschule erweitert kontinuierlich ihr Studienangebot und steht für eine
anwendungsnahe und interdisziplinäre Forschungstätigkeit. Welche zentralen Handlungsfelder in
Forschung und Lehre werden aus Ihrer Sicht zukünftig relevant sein?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Für uns ist das zentrale Ziel unsere Studienangebote zukunftsorientiert nach den
neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung zu gestalten und stetig weiterzuentwickeln.
In der Lehre geht es konkret darum, die Studierenden bestmöglich auf fachliche und überfachliche
Anforderungen vorzubereiten, um ihnen einen guten Start in die berufliche Zukunft zu ermöglichen.
Im Bereich der Forschung werden wir die Arbeit in den gegenwärtigen Forschungsfeldern weiter
vorantreiben. Bereiche wie die intelligenten Systeme für Energie und Mobilität, erneuerbare
Energien sowie das Forschungsfeld der Digitalisierung und Industrie 4.0 werden uns auch in Zukunft
in gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Sicht begleiten. Die Forschung im Bereich der
Nachhaltigkeit durchzieht aktuell unterschiedlichste Hochschulbereiche und soll auch in Zukunft
fächerübergreifend gedacht werden. Darüber hinaus wollen wir geistes- und sozialwissenschaftliche
Forschungs- und Transferaktivitäten intensivieren.
Ob ein Auslandssemester, eine Exkursion oder eine internationale Forschungskooperation – in Zukunft wollen wir die Internationalität in Lehre und Forschung weiter fördern. Wir müssen uns weiter vernetzen, Potentiale bündeln und über Disziplinen hinweg zusammenarbeiten. Und gemeinsam – da bin ich zuversichtlich – werden wir auch zukünftig alle Herausforderungen der Zeit meistern.
Ostfalia-Redaktion:
Die Lehre und Forschung der Hochschule befindet sich in ständigem Wandel und passt
sich immer wieder technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen an. Was waren aus
Ihrer Sicht die größten Herausforderungen der jüngsten Zeit und was könnten künftige
Herausforderungen sein?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Wie die gesamte Gesellschaft war die Hochschule mit der Corona-Pandemie, ihren
Auswirkungen und einschränkenden Maßnahmen für das Leben und den Alltag konfrontiert. In einer
großen Kraftanstrengung aller Beteiligten musste in kürzester Zeit der Hochschulalltag, wie wir ihn
kennen, neu gedacht und verändert werden. Zur Eindämmung der Pandemie haben wir unser Handeln immer
wieder angepasst und an der Hochschule eine wachsende Zahl an Maßnahmen ergriffen. Die Umstellung
auf Online-Formate, die Schließung der Hochschule im Lockdown sowie die Veränderungen im
Prüfungsablauf waren sicherlich die einschneidendsten Maßnahmen. Mein besonderer Dank gilt daher
allen Hochschulangehörigen für ihr Engagement, ihre Flexibilität und Leistungen für die Hochschule
sowie nicht zuletzt für ihre Achtsamkeit im Umgang miteinander. Wir haben durch die Pandemie
hautnah erfahren, wie wichtig uns der persönliche Kontakt zu unseren Studierenden ist. Lehre und
Lernen lebt einfach auch von der Auseinandersetzung und den zwischenmenschlichen Begegnungen. Wir
haben gesehen, was wir alles kurzfristig leisten und verändern können, wenn die Situation es
erfordert. Das sollte uns optimistisch stimmen, auch andere Herausforderungen bewältigen
beziehungsweise unseren Beitrag dazu leisten zu können. Zu diesen Herausforderungen gehören für
mich an allererster Stelle der drohende Klimawandel sowie das Thema Nachhaltigkeit. Ich freue mich
auch in Zukunft auf interessierte und kreative Studierende in unseren Hörsälen, innovative Projekte
in der Lehre sowie neue Impulse für die Forschung von morgen.
Ostfalia-Redaktion:
Was möchten Sie der Hochschule zum 50-jährigen Bestehen gerne noch sagen?
Prof. Dr. Rosemarie Karger:
Die Ostfalia Hochschule blickt auf fünf Dekaden voller Erfolge, Innovationen und
Entwicklungen, aber natürlich auch Herausforderungen zurück. Ich bin mir sicher, dass wir in den
kommenden Jahren auf diese Erfolge aufbauen, Bewährtes weiterentwickeln und auch immer wieder neue
Wege gehen werden. Mit einem Blick zurück auf unsere letzten 50 Jahre haben vor allem die Menschen
die Hochschule zu dem gemacht, was sie heute ist. Deshalb möchte ich zum Schluss allen
Studierenden, Absolvent*innen, Lehrenden, Mitarbeiter*innen und Partner*innen an unseren vier
Standorten dafür danken, dass sie die Ostfalia Hochschule so einzigartig machen. Die Mischung macht’
s!