Zukunft des Medienmanagements im Zeitalter multimedialer Netze
Zielsetzungen des Projektes - Erkenntnisgewinn
Es ist populärer Konsens – unter dem Eindruck der rasanten Geschwindigkeit der Veränderungen der Medienlandschaft – dass das Internet die Gesellschaft innerhalb kürzester Zeit durchdrungen und sie neu geformt hat. Das „Medium“ - in seiner ursprünglichen Eigenschaft als vermittelndes Element - wurde zwar nicht neu erfunden, etablierte gesellschaftliche Systeme müssen sich aber neu (er)finden, wenn sie gegen emergente bestehen wollen. Der soziologische Umbruch wirkt sich auch – und ganz besonders – auf die gesellschaftlichen Systeme aus, die durch die, nun konvergierenden, technischen Medien ihre Existenz begründen.
Insbesondere die technische Durchdringung bringt auch eine Technisierung der Arbeitsroutinen in den Medien mit sich. Insbesondere im Bereich des Medienmanagements aber auch des Journalismus stellt sich hierbei die Frage nach der Zukunft.
Zur Erinnerung die drei aufgeworfenen relevanten Fragestellungen:
1.) Wird die Inhaltsproduktion und -gestaltung in Gänze auf die Prosumenten übergehen und der professionelle Medienarbeiter vollständig obsolet?
2.) Wird sich die Aufgabe der professionellen Medien von der Herstellung in Richtung der Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation verschieben (vgl. Rühl 1980, 322), wird also das Selektieren, Einordnen und Strukturieren als Kernaufgabe journalistischer Arbeit und medialen Managements erhalten bleiben?
3.) Sehen sich die Medienmanager nicht derart großen Veränderungen gegenüber, wie es die Apologeten der Informationsgesellschaft prophezeihen - handelt es sich also um einen Hype und das professionelle Erstellen und Managen von Medieninhalten findet auch in Zukunft noch seinen Markt?
Zu den Fragen wurde im WS 2010/2011 Grundlagenarbeit geleistet. Insbesondere wurde der Bereich der sich fragmentierenden Zielgruppen beleuchtet. Hierzu wurde aus der Recherche heraus ein Beitrag für die Jahreskonferenz der DGPuK-Fachgruppe Medienökonomie erstellt, der sich insbesondere damit befasst, ob und welche Zielgruppen beim Management von Medien eine Rolle spielen. Dieser Zweig des Forschungsprojektes betrifft insbesondere die Fragen 1 und 3 und soll im SS 2011 weiter vertieft werden, da die Zielgruppe eines Medienproduktes wesentliche Auswirkungen auf die Medieninhalte und damit das Management von Medien hat. Absolut fragmentierte Zielgruppen könnten darüber hinaus einen Übergang der Aufgaben der professionellen Medieninhaltsproduzenten auf die Prosumenten begünstigen.
Darüber hinaus wurde mit der Entwicklung einer neuartigen empirischen Befragungsmethodik und einer auf den erhobenen Daten aufbauenden und auf der Portfoliotheorie basierten, hyperdimensionalen Medienselektionstheorie begonnen. Dieser Zweig des Forschungsprojektes berührt insbesondere die Frage 2. Hier stellte sich im Laufe der Recherche die Frage, ob insbesondere Selektionsentscheidungen medialen Managements in Zukunft automatisiert werden (können). Bei einem Pretest mit Medienmanagern zeigte sich hier im WS 2010/2011 großes Interesse, aber auch große Furcht vor der Technisierung bisheriger „Bauchentscheidungen“. Hier drückte sich die Befürchtung bzw. Erwartung besonders markant durch eine geäußerte Parallele zur beginnenden Industrialisierung aus: damals wurde körperliche menschliche Arbeit durch die erfundene Dampfmaschine verdrängt – möglicherweise steht geistiger menschlicher Arbeit heute das selbe hervor. In diesem Zusammenhang ist auch das Schlagwort vom Web3.0 interessant. Hierunter versteht man das „Semantic Web“ – in Kurzform: Computer werden in Zukunft in der Lage sein, Sematik von Medieninhalten zu erkennen und ähnlich menschlichen Maßstäben zu bewerten. Die begonnene Entwicklung einer technologischen Medienselektionslösung zielt auf diese Entwicklung und hat zum Ziel zu klären, ob dies tatsächlich möglich ist und „rein menschliche“ Selektionsentscheidungen obsolet machen kann.
Stand des Wissens
Mit dem Aufkommen des Internet sind schwerwiegende Veränderungsprozesse in der Medienlandschaft in Gang gekommen. Nach dem Stand der Forschung handelt es sich dabei allerdings nicht um eine historische Zäsur, sondern eher noch um eine mediale Transition die als „period of increased turbulence“ (Burgess/Green 2009, 14) daherkommt. Unstrittig ist die technische Konvergenz, durch die „jeder alles machen kann“. Durch Digitalisierung lassen sich alle herkömmlichen Medieninhalte im Netz darstellen und durch die kulturelle Durchdringung ist das Internet ist längst kein „ Spielzeug einer kleinen, elitären Minderheit mit ganz spezifischen Interessen“ (Krotz 1998, 121) mehr. Diese Konvergenz bringt als Nebeneffekt auch eine neue Konkurrenz für den Journalismus: „the Internet liberated and empowered individuals and offered unprecedented advantages to society.“ (Briggs/Burke 2002, 310) Die professionellen Medienmacher laufen also Gefahr, ihr Gatekeepermonopol zu verlieren. Diese Verschiebung auf der Angebotsseite weist eine Forschungslücke auf, die auch mit Hilfe des Forschungsansatzes gefüllt werden soll. Dem gegenüber erscheint die Nachfrageseite intensiver durchdrungen: Hier ist der Stand der Forschung, dass das Netz zwar Nachfrage befriedigen kann, beispielsweise in Communities im Web2.0. Dennoch bleibt das Netz ein Cyberspace, ein unkörperlicher Ort, dem, wenn er nicht ergänzend zu realer sozialer Interaktion benutzt wird, eher „ parasoziale Züge“ (vgl. Horton/Wohl 1956) eigen sind. Das hat wiederum den umgekehrten Effekt und führt zu Zersplitterung und Vereinzelung (vgl. Rau 2007, 5) oder – weniger drastisch ausgedrückt – zu Individualisierung (vgl. Gerhards/Klingler 2006, 76).