Zwischen "lifeworld approach" und "Entfunktionalisierung": Erforschung der praxisrelevanten Alternativen zu den verbreiteten wissenschaftlichen Ansätzen im Medienmarketing
Zielsetzungen des Projektes - Erkenntnisgewinn
Das Forschungsfeld Medienmarketing ist bisher hauptsächlich geprägt von medienwissenschaftlichen (d.h. traditionell geisteswissenschaftlich verorteten) sowie vor allem von betriebswirtschaftlichen (d.h. empirisch-sozialwissenschaftlichen) Ansätzen. Alternative Ansätze jenseits dieser Bereiche sind zwar vorhanden, werden jedoch wenig rezipiert. Die Vermutung liegt nahe, dass der Grund dafür in der (vermuteten) Inkompatibilität bzw. Inkommensurabilität der grundlegenden Begrifflichkeiten und Gesetzmäßigkeiten besteht. Diese Vermutung wurde allerdings bisher nicht selbst einer Untersuchung zugeführt. Hier möchte dieses Forschungsprojekt Abhilfe schaffen, und zwar durch eine Untersuchung der Vergleichbarkeit psychoanalytischer Marketingansätze mit traditionellen BWL-Ansätzen.
Der psychoanalytische Ansatz wird aus zwei Gründen gewählt:
Erstens ist das darin enthaltene Begriffswerk jedenfalls oberflächlich vergleichbar dem Begriffswerk von BWL-Ansätzen; so findet sich in beiden der zentrale Begriff "Lebenswelt" (u.a. in der BWL im Zusammenhang mit Brand Salience). Wie wir bereits 2011 in einer Voruntersuchung gezeigt haben, ist diese oberflächliche Ähnlichkeit täuschend. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Implikationen – die Psychoanalyse warnt vor der Implementierung des Lebensweltansatzes, während BWL-Ansätze sie allgemein befürworten. Ist es möglich, hier den Vertretern beider Ansätze eine gemeinsame, eindeutige Diskussionsbasis zu bieten, den psychoanalytischen Ansatz gewissermaßen in den Mainstream zu integrieren? Das ist einer der Aspekte, der in diesem Projekt untersucht werden soll.
Zweitens: Der psychoanalytische Ansatz eignet sich hervorragend zur Beschreibung aktueller Phänomene wie Digitalisierung und Crossmedialisierung, weil er, wie wir ebenfalls gezeigt haben, erklärt, inwiefern nicht "Content", sondern "Context" im erfolgreichen Medienmarketing handlungsleitend sein sollte.
Das Forschungsprojekt möchte also BWL-Ansätze mit psychoanalytischen Ansätzen vergleichen. Dazu ist es nötig, die aktuell relevanten BWL-Ansätze in ihrer theoretischen Substanz zu erforschen; dasselbe muss für psychoanalytische Ansätze getan werden. Vergleichbarkeit wird sinnvollerweise in einem zweiten Schritt untersucht, nachdem sich zeigt, welche Ansätze überhaupt zu einem Vergleich taugen (z.B. theoretische Ebenen, Annahmen, Erklärungs- und Prognosedimensionen, Falsifizierbarkeit usw.). Hierbei soll zusätzlich die Anwendbarkeit der entsprechenden Ansätze auf digitale und Crossmedien untersucht werden, da diese als vielversprechendes Feld des Medienmanagements der Zukunft gelten. Der dritte Schritt besteht darin, den eigentlichen Vergleich durchzuführen.
Parallel zu diesem Forschungsstrang soll die wissenschaftstheoretische Substanz psychoanalytischer Marketingansätze untersucht werden, wobei ein spezielles Augenmerk auf ihren Prognosefähigkeiten und Falsifizierbarkeiten liegt. Hintergrund ist, dass es sich hierbei um Anforderungen handelt, die im wiss. Rahmen in der BWL eine hohe Bedeutung genießen. Unabhängig von der Frage der Vergleichbarkeit soll und muss die Frage beantwortet werden, ob diese Theorien in diesem Sinne wissenschafts- und praxistauglich sind. Für die Kontrollgruppe der BWL-Ansätze müssen dieselben Anforderungen mindestens explorativ ebenfalls überprüft werden. Diese Überprüfung gewährt im Zusammenspiel mit dem eigentlichen Vergleich, dass die Ergebnisse für die Medienpraxis taugen, aber auch in Forschung und Lehre kompatibel zu bisherigen Inhalten eingesetzt werden können.
Ein übergeordneter Teil des Projekts soll zudem die Frage nach den Spezifika des Medienmarketings im Bereich des Marketings behandeln; die Notwendigkeit ergibt sich aus der Ableitung insb. der BWL-Theorien aus den allgemeinen Ansätzen.
Stand des Wissens
Voruntersuchungen, die wir 2011 durchgeführt haben, weisen Gemeinsamkeiten insbesondere bzgl. Branding auf. Als relevant hat sich diesbezüglich die Unterscheidung zwischen Content und Context erwiesen. Darüber hinaus liegen erste vergleichende Ergebnisse zur Rolle von markenprägenden Persönlichkeiten im TV und im Crossmedia-Bereich vor. Die von der Psychonalyse behaupteten negativen Wirkungen des Lebenswelt-Marketing beschreibt Rainer Funk in "Ich und Wir", sie stellen die kritische Basis für die Fragen der Prognosefähigkeit und Falsifizierbarkeit zur Verfügung. Daneben stellen rezipientenorientierte Marketingansätze aus der BWL den Stand des dort vorhandenen Wissens dar.