Im Rahmen der Laborveranstaltung zur Vorlesung „Regenerative Elektrische Energieversorgung“ von Prof. Ekkehard Boggasch stand kürzlich für die mehr als zwanzig Studierenden die Besichtigung eines größeren Windparks im sachsen-anhaltinischen Dardesheim, kurz hinter der Landesgrenze an der B79 gelegen, auf dem Programm.
In Fahrgemeinschaften gelangte man in die Stadt, die sich auch den Beinamen „Stadt der erneuerbaren Energien“ gegeben hat. Dort wurde die Gruppe, der sich aus fachlichem Interesse auch Prof. Oliver Büchel mit anschloss, im Rathaus von Dipl.-Ing. Ralf Voigt, Projektmanager der RegenerativKraftwerke Harz, RKWH GmbH & Co. KG, dem Betreiber des Energieparks auf dem nahegelegenen Druiberg, begrüßt. Gleichzeitig ist Herr Voigt auch Bürgermeister der 970 Einwohner zählenden Gemeinde Dardesheim.
Im Rathaussaal begrüßte Herr Voigt die Gruppe und hielt darauf einen Einführungsvortrag. In diesem stellte er, nicht ohne Stolz und sehr engagiert, die Entwicklung der erneuerbaren Energien und insbesondere des Windparks auf dem nahegelegenen Druiberg dar. Bereits kurz nach der Wende begann man dort ab Anfang der 90iger Jahre Windkraftanlagen zu errichten. Die anfängliche Skepsis der Bevölkerung in den angrenzenden Gemeinden wurde ernst genommen. Herr Voigt betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit und verwies darauf, wie wichtig es sei, die Bürger/-innen von Anfang an in die Planungen miteinzubeziehen. So wurden noch vor dem tatsächlichen Planungsbeginn Fahrten zu schon bestehenden Anlagen unternommen, damit sich die interessierte Bevölkerung schon vorab einen besseren Eindruck von Windkraftanlagen machen konnte. Die Vorteile eines lokalen vor Ort befindlichen Windparks wurden den Bürgern Dardesheims damit schon frühzeitig schmackhaft gemacht. Zudem wurden im Weiteren bei der Vergabe der Arbeiten überwiegend lokale Unternehmen herangezogen. Das sicherte wiederum lokale Arbeitsplätze, aber schuf darüber hinaus auch neue Arbeitsfelder, etwa im Bereich von Pflege und Wartung, so dass von den in Millionenhöhe erbrachten Investitionen ein Großteil durch entsprechende Wertschöpfungsketten in der Region verblieb.
In seiner Präsentation ging Herr Voigt auch auf Zahlen und Fakten ein. Momentan ist im Windpark eine Anlagenleistung von 82,6 MW installiert, die zu einem durch Wind erzeugten Jahresertrag von circa 150 – 160 Mio. kWh führt. Das entspricht etwa der 40fachen elektrischen Energiemenge, welche die kleine Stadt selbst verbraucht. Auch etwa 1 MW an Photovoltaikleistung sind mittlerweile auf den Dächern Dardesheims installiert und darüber hinaus wird noch eine Biogasanlage betrieben. Obwohl das Angebot an erneuerbarer Energie eigentlich insgesamt sehr groß ist, liegt ein Hauptproblem, insbesondere bei Sonnen- und Windenergie, in deren unstetigem Angebot und in der noch wenig entwickelten Speichertechnologie. Effizienzsteigerung und Energiesparen, etwa durch neue LED-Straßenbeleuchtung, spielen auch konkret in der Gemeinde Dardesheim begleitend zur erneuerbaren Energiegewinnung eine wichtige unterstützende Rolle und wurden und werden konsequent umgesetzt.
Konkret sprach Herr Voigt darüber hinaus noch das bereits abgeschlossene Projekt regenerative Modellregion Harz (RegModHarz) an, ein Forschungsvorhaben bei dem die RegenerativKraftwerke Harz und engagierte Bürger/-innen aus der Region beteiligt waren. Hierbei wurde versucht, die Themenfelder Verbrauch, Erzeugung, Stromnetze und Speicherung mit Hilfe moderner Techniken der Informations- und Kommunikationstechnologien so zu vernetzen, dass die Versorgungssicherheit erhöht und Fragen der Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit noch besser miteinander kombiniert werden. Herr Voigt kam auch auf das Thema „Innovation durch dezentrales Energiemanagement“ zu sprechen, wobei er die Wichtigkeit der Verknüpfung zwischen Erzeugern, steuerbaren Lasten und Speichern herausstellte. Die Elektromobilität mit den batterieelektrischen Speichern der Fahrzeuge wird hier zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Der Förderverein Harz Regenerativ e.v. betreibt dazu bereits entsprechende Ladesäulen vor dem Firmensitz in der Ortsmitte von Dardesheim.
Nach dem Fachvortrag fuhr die Gruppe bei schönstem Herbstwetter zum nahegelegenen Druiberg. War hier während des kalten Krieges, noch vor der Wende, eine russische Radarstation installiert, dominieren jetzt die weiträumig aufgestellten zahlreichen Windkraftanlagen das Erscheinungsbild, das durchaus auch ästhetische Eindrücke vermittelt. Erst kürzlich wurde dort eine 2,3 MW Enercon E82 Anlage in Betrieb genommen, die sich mit 138m Nabenhöhe und 82 m Rotordurchmesser imposant in den blauen Himmel reckt. Die Teilnehmer/-innen bekamen die Gelegenheit, in das Innere dieser Anlage zu schauen und die Technik konnte aus der Nähe angesehen werden. Die am Generator erzeugte elektrische Drehstromleistung wird bei diesen modernen Anlagen bereits in der Gondel in Gleichstromleistung umgewandelt und über dicke Kupferkabel nach unten zu den Umrichtern geführt. Dort wird der Gleichstrom wiederum über Wechselrichter und einen Trafo ins vorgelagerte Mittelspannungsnetz eingespeist.
Bei der am Besuchstag vorhandenen mittleren Windstärke von 3 bis 4 m/s konnte man am Fuß der Anlagen keine Laufgeräusche der Rotorblätter hören. Das hochfrequente Pfeifen der Umrichter im Innenraum der WKA war dagegen laut zu vernehmen. Die 2,3 MW Anlagen laufen, an diesem für den Binnenlandbetrieb vergleichsweise günstigen Aufstellort, mit etwa 2000 Volllaststunden pro Jahr, das macht ca. 4,6 Millionen kWh jährlich pro Windrad.
Somit ist der Titel „Dardesheim –Stadt der erneuerbaren Energien“ in der Tat mehr als gerechtfertigt und ein sehr schönes Beispiel für eine gelungene Umsetzung der Einbindung erneuerbarer Energien in ein ländliches Versorgungsgebiet. Herr Voigt stand für interessierte Nachfragen aus der Gruppe geduldig Rede und Antwort. Nach der Bedankung und Überreichung kleiner Gastgeschenke an Herrn Voigt durch Prof. Boggasch fuhren die Teilnehmer/-innen, an vielen neuen Eindrücken und Praxiserfahrungen reicher, nach Wolfenbüttel zurück.
Text: E. Boggasch
Fotos: E. Boggasch, M. Mundt