Martin Strube ist Spezialist für das Industrial Internet of Things und die intelligente
Vernetzung von Sensoren, Geräten, Maschinen; die Expertise von Mathematiker Frank Klawonn sind
Statistik und maschinelles Lernen. Im Forschungsfeld Digitalisierung und Industrie 4.0 der Ostfalia
erfüllen die beiden Professoren eine wichtige Rolle. Im Interview erklären sie, warum die Industrie
von der Zusammenarbeit mit ihnen profitiert und wie sie auch der Medizin zur Seite stehen. Und sie
sprechen darüber, was die Digitalisierung für die Forschung so faszinierend macht.
Herr Professor Strube, Herr Professor Klawonn, warum ist es wichtig, dass Sie Unternehmen bei
Digitalisierung und Industrie 4.0 unterstützen?
Martin Strube: Digitalisierung ist kein Produkt, das Unternehmen im Geschäft kaufen können.
Genauso wenig gibt es ein Handbuch, das Unternehmer zu Rate ziehen können, um Industrie 4.0 in
ihrer Produktion zu etablieren. In den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus gibt es unzählige
verschiedene Kombinationen aus Maschinen, IT-Systemen und Softwarelösungen. Das macht es so
schwierig, von der Anlieferung der Vormaterialien bis zur Auslieferung des fertigen Produkts die
Prozesskette durchgängig digital abzubilden – und das ist ja das Ziel der Digitalisierung. Im
Prinzip braucht jedes Unternehmen eine eigene Industrie 4.0-Lösung.
Frank Klawonn: Dazu kommt der Faktor Mensch. Jeder Mitarbeiter hat eine eigene Art und Weise,
Daten zu verarbeiten. Diese Daten von verschiedenen Arbeitsplätzen und aus unterschiedlichen
Fachbereichen zusammenzuführen, setzt viel Detailarbeit, Energie und Fachwissen voraus. Die
Digitalisierung der Produktion bedeutet einen großen Aufwand und funktioniert nur, wenn Unternehmen
wirklich den festen Willen haben, Daten zu gewinnen, zu integrieren und auszuwerten.
Martin Strube: An dieser Stelle zitiere ich gerne meinen Kollegen Professor Diederich Wermser,
der sagt: Digitalisierung ist zunächst eine andere Art zu denken und erst dann der Einsatz neuer
Technologien. Wenn wir das Unternehmen durchgehend vernetzen wollen, dann muss es in jeder
Abteilung das Verständnis für die Ziele von Industrie 4.0 geben und auch für den Weg, wie das
Unternehmen die Digitalisierung umsetzen will.
Was können Sie und Ihre Kollegen in Ihrem Forschungsfeld leisten?
Martin Strube: Mit Machbarkeitsstudien können wir Industriepartnern darlegen, welchen Mehrwert
ihnen neue Technologien wie zum Beispiel cyber-physische Systeme bieten. Ein einfaches Beispiel:
Wenn eine Produktionsanlage ungeplant stillsteht, kann das hohe Kosten verursachen. Besser ist,
ihre Daten intelligent auszuwerten, um vorab Informationen zum Verschleiß von Maschinen zu erhalten
und einen drohenden Produktionsausfall abzuwenden. Wir zeigen Unternehmen, welche Schritte sie
gehen müssen, um diesen Entwicklungsstand zu erreichen.
Frank Klawonn: Wir können Unternehmen helfen, ihre Daten zu erfassen, darin Muster zu erkennen
und Vorhersagen zur Produktion zu machen. Das geht – wie in diesem Fall bei der vorausschauenden
Wartung – im industriellen Umfeld und auch in vielen weiteren Bereichen.
In welchen weiteren Bereichen kommt die Digitalisierung zum Einsatz?
Frank Klawonn: Zum Beispiel in der Medizin: Ich nutze Daten, damit seltene Erkrankungen früher
diagnostiziert werden können. Wir ermöglichen Menschen so die schnellere Therapie und ersparen
ihnen eine womöglich jahrelange Odyssee zu den Ärzten.
Worauf stützt sich Ihre Forschungsarbeit?
Frank Klawonn: Darauf, dass Daten heutzutage fast überall in digitaler Form vorliegen. Aus ihnen
können wir nützliche Informationen ziehen – mit mathematischen, sehr rechenaufwändigen Verfahren,
bei denen uns Technologien unterstützen. In der Regel ist es so, dass aus der Zusammenarbeit mit
uns immer neue Erkenntnisse erwachsen, die für die Unternehmen wichtig sind.
Warum ist Ihr Forschungsfeld gut aufgestellt?
Martin Strube: Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Professorinnen und Professoren und
deren Teams viel Praxiserfahrung haben und jeder sich auf ein Glied der Prozesskette spezialisiert
hat. So ist es uns möglich, den Gesamtprozess in einem Unternehmen zu analysieren.
Frank Klawonn: Automatisierung, Funktechnologie, Datenanalyse: Diese Kompetenzen könnte nicht
einmal ein Universalgenie auf sich vereinen, dafür braucht es mehrere Fachleute. Die Zusammenarbeit
zwischen uns allen funktioniert wunderbar.
Wo ist die Zusammenarbeit zwischen Ihnen besonders wichtig?
Frank Klawonn: Beim Datenschutz. Wie kommen die Daten von Absender sicher zum Adressaten? Auf
welche Art und Weise gewährleisten wir den Schutz des Patienten, über den die Daten Informationen
preisgeben? Im medizinischen Bereich sind das wichtige Fragestellungen. Datenschutz und
Datensicherheit ist die Expertise meiner Kollegin Professor Ina Schiering: Sie sorgt dafür, dass
wir auf der sicheren Seite sind.
Warum sind Digitalisierung und Industrie 4.0 ein ideales Tätigkeitsfeld für Industrie und
Forschung?
Martin Strube: Rechentechnik, Sensorik und Übertragungstechnik bilden eine faszinierende
Kombination, die nicht nur sehr leistungsfähig ist, sondern auch relativ günstig. Die Investitionen
sind vergleichsweise gering und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Unternehmen recht schnell
einen Mehrwert erzielen. In der Digitalisierung leisten wir in vielen Fällen Pionierarbeit, weil
die Technologien sehr neu sind. Das macht Spaß – nicht nur auf Industrie-, sondern auch auf
Forschungsseite.