Wasser gibt es in der Regel im Überfluss – nur nicht überall dort, wo man es bräuchte; und auch
nicht immer in der Qualität, wie es sein sollte. Dr. Hedda Sander und die Professoren Klaus
Röttcher und Artur Mennerich arbeiten im Forschungsfeld "Integrierter Gewässer- und Bodenschutz"
der Ostfalia. Im Interview sprechen sie darüber, wie sie unser Wasser schützen und wie jeder von
uns einen Beitrag leisten kann. Und sie erklären, warum ihre Forschung eine schöne Aufgabe ist.
Wie geht’s unserem Wasser eigentlich?
Artur Mennerich: Überspitzt gesagt, leben wir in Deutschland im Paradies. Wir haben ein feuchtes
Klima, so dass über lange Zeiträume immer reichlich neues Grundwasser gebildet wird. Davon nutzen
wir nur einen Bruchteil – beispielsweise um Trinkwasser zu gewinnen. Dieses Wasser hat eine
ausgezeichnete Qualität. Wir können es aus größerer Tiefe fördern und ohne große Aufbereitung in
die Wassernetze geben. Aber: Im Oberflächenwasser und auch in oberen Grundwasserschichten finden
wir doch anthropogene Einflüsse, die uns zeigen: Stoffe, die wir in die Umwelt entlassen, kommen
irgendwann auch im Grundwasser an. Als Wasserwirtschaftler ist es unsere Aufgabe, die
Naturressource Wasser in einem guten Zustand zu bewahren.
Klaus Röttcher: Wir merken, dass wir uns heute um Themen kümmern müssen, die es früher nicht
gegeben hat. Überdüngung durch zu viel Nitrat und Phosphat in Grund- und Oberflächenwasser ist ein
Thema, das wir noch nicht zufriedenstellend gelöst haben. Auch finden wir Spuren von
Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten im Wasser. In der Regel dauert es sehr lange, bis sich
Spurenstoffe im Wasser negativ auswirken und wir erkennen können, womit wir es zu tun haben. Wir
sollten also schon heute alle Schadstoffe aus dem Wasser herausholen. Oder noch besser: Sie erst
gar nicht ins Wasser reinkommen lassen.
Hedda Sander: Denn diese Schad- und Nährstoffe verändern die Wasserqualität und können durch
Eutrophierung – ein Überangebot an Nährstoffen – dafür sorgen, dass unerwünschte Algen wachsen.
Mein Forschungsgebiet ist die Phykologie: die Wissenschaft von den Algen. Der Harz beispielsweise
ist ein altes Bergbaugebiet. Noch heute haben wir mit den Folgen zu kämpfen in Form von
Schwermetallen, die in den Flüssen nachweisbar sind. Aktuell arbeiten wir an Filtern, die uns
helfen, mit dieser Hinterlassenschaft fertig zu werden – mithilfe von Algen. Zellbestandteile von
ihnen sind anscheinend dazu in der Lage, diese Schwermetalle zu absorbieren.
Wie gewinnen Sie die Algen?
Hedda Sander: Wir haben Lichtbrutschränke und Photobioreaktoren, um in größerem Maßstab unsere
eigenen Algen züchten zu können. Darunter auch die, deren Schwermetalltoleranz besonders hoch ist –
diese Spezies haben wir uns gut aufgehoben. Wir beziehen unsere Algen auch von anderen Sammlungen,
etwa von der Universität Göttingen oder der University of Texas in Austin.
Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich?
Klaus Röttcher: Wir bereiten ein großes Projekt vor, in dem es darum geht, den Wasserverbrauch
im Mekong-Delta in Vietnam zu reduzieren. Wenn dort in Küstenregionen den Böden zu viel Wasser
entnommen wird, dringt Meerwasser nach. Das kann dazu führen, dass die Bauern irgendwann Salzwasser
pumpen, um ihre landwirtschaftlichen Flächen zu bewässern. Wenn sie es nicht schaffen, nachhaltiger
mit den Wasserressourcen umzugehen, können ganze Flächen verloren gehen.
Artur Mennerich: In einem meiner Projekte steht die biologische Abwasserreinigung im
Mittelpunkt. Wir wollen den Stromverbrauch senken und die Energieeffizienz verbessern. Auch die
Nutzung der im Abwasser enthaltenen Energie beschäftigt uns. Dabei geht es um die Frage: Wie kann
sich die Kläranlage selbst mit Energie versorgen, um energieautark zu sein?
Hedda Sander: Im Wesentlichen beschäftige ich mich mit Seen im Binnenland. Um die Wasserqualität
überwachen zu können, haben wir eine App auf den Markt gebracht. Sie kann anhand einfacher
Messdaten – zum Beispiel Wassertemperatur und Phosphatgehalt – bewerten, wie stark ein Badesee von
Blaualgen befallen ist. Und sie kann vorhersagen, wie sich das Algenwachstum in nächster Zeit
entwickeln wird.
Warum ist das wichtig?
Hedda Sander: Die Algenblüten von Blaualgen produzieren Toxine. Das sind organische Giftstoffe,
die schwerwiegende allergische Reaktionen hervorrufen können. In Zusammenarbeit mit unserer
Partnerhochschule University of Wisconsin entwickeln wir die App gerade weiter – in Richtung
künstliche Intelligenz. Wir wollen erreichen, dass die App mit jeder Anwendung dazulernt.
Was brauchen Sie, um in Ihrem Forschungsfeld vorwärts zu kommen?
Klaus Röttcher: Im Namen unseres Forschungsfelds steckt es drin: Wir brauchen integrierte
Lösungen. Entscheidend sind die Netzwerke, in denen wir arbeiten. Nur gemeinsam lassen sich
Lösungen umsetzen, etwa in Zusammenarbeit mit den Kommunen und Wasserverbänden.
Artur Mennerich: Wir benötigen die Diskussion mit anderen Disziplinen. Und in internationalen
Projekten den engen Austausch mit unseren ausländischen Partnern, damit wir die Anforderungen
verstehen und das passende Konzept entwickeln können. Systemische Ansätze spielen in unserem
Forschungsfeld eine wichtige Rolle.
Welche Entwicklung bedeutet eine große Gefahr für das Wasser?
Klaus Röttcher: 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs gehen auf das Konto der
Nahrungserzeugung – und der Anteil steigt. Denn um immer mehr Menschen satt zu machen, brauchen wir
immer mehr Wasser. Die weltweiten Flüchtlingsströme haben auch etwas mit Wasser zu tun: mit
fehlender Versorgungssicherheit und damit, dass Lebens- und Umweltbedingungen nicht ausreichend
sind. Wenn es uns nicht gelingt, die Versorgung zu verbessern, wird es neue Konflikte geben.
Artur Mennerich: In Schwellen- und Entwicklungsländern zieht es viele Menschen aus den
ländlichen Räumen in die Städte, wo sie die Hoffnung haben, dass es ihnen besser geht. In einem
Verbundprojekt unter Beteiligung von Stadtplanern untersuchen wir, wie in schnellwachsenden Städten
die Infrastruktur sozusagen mitwachsen kann, um auch die Wasserversorgung und die Entsorgung
sicherzustellen.
Wie kann jeder von uns einen Beitrag zum Gewässer- und Bodenschutz leisten?
Klaus Röttcher: Wir müssen lernen, das Wasser nicht als Entsorgungspfad zu missbrauchen – etwa
für Medikamente, Farben und Lacke. Kläranlagen sind darauf ausgerichtet, organische Materialien vom
Abwasser zu trennen. Kurzum: Medikamente gehören nicht in die Toilette, Chemikalien nicht in den
Ausguss.
Artur Mennerich: Wir haben als eines der wenigen Länder der Welt ein wirklich ausgezeichnetes
Trinkwasser. Ich empfehle, öfter Leitungswasser zu trinken – anstatt Wasser in Plastikflaschen zu
produzieren und den Plastikmüll dann wegzuwerfen.
Warum gefallen Ihnen das Forschungsfeld und Ihre Arbeit?
Hedda Sander: Im Sommer 2018 war die Hitze so groß, dass man beobachten konnte, wie viele Bäche
austrockneten und unsere Wasserwerke und Versorgungsnetze wegen des erhöhten Wasserbedarfs an ihre
Grenzen stießen. Die Menschen wurden dazu aufgerufen, auf Autowäschen und die Bewässerung von
Gärten zu verzichten, um den Engpass in Stoßzeiten der Nutzung nicht zu verstärken. Vielen wurde
plötzlich bewusst, wie wertvoll unser Wasser ist. Der Gewässerschutz ist eine besonders schöne
Aufgabe.