Lebenslanges Lernen an Hochschulen
Forschungsprojekt untersucht berufsbegleitende Pflegestudiengänge
An der Fakultät Gesundheitswesen der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften am Campus Wolfsburg startete im September vergangenen Jahres das Projekt „Lebenslanges Lernen an Hochschulen: Ein Trainingsprogramm für nicht-traditionell Studierende (TopntS)“. Die Projektzielgruppe bilden examinierte Pflegekräfte aus der Kranken- und Altenpflege, mit und ohne Abitur oder Fachhochschulreife. Diese können an der Fakultät berufsbegleitend den Studiengang „Angewandte Pflegewissenschaft“ mit dem Abschluss eines Bachelor of Science studieren. Im Rahmen dieses Projekts wurde nun das erste Arbeitspaket abgeschlossen.
Hierzu gehörte in der Zeit von Oktober bis Dezember 2017 die Durchführung einer Fragebogenstudie
an drei niedersächsischen Hochschulen, an der 111 Studierende von berufsbegleitenden
pflegewissenschaftlichen Studiengängen teilgenommen haben. Das ergab einen Rücklauf von 100
Prozent. Zugleich nahmen 15 Studierende an insgesamt vier Fokusgruppeninterviews teil, die dem
Projektteam einen idealen Tiefenschnitt erlaubte.
Das Ziel der Forschungsmaßnahmen bildete die Identifizierung von Themen, die für das
geplante Trainingsprogramm an der Ostfalia Hochschule im Sommer dieses Jahres von großer Bedeutung
sind.
Vor dem Hintergrund der sich seit Jahren abzeichnenden und nun eskalierenden
Verschlechterung der Beschäftigungs- und Betreuungssituation in Einrichtungen wie Krankenhäusern,
Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten gewinnen die Erkenntnisse aus dem Projekt an Brisanz.
Die Studierendenschaft zeichnet sich durch eine große Heterogenität aus, da sie sich aus
berufserfahrenen und weniger berufserfahrenen Pflegenden zusammensetzt. Gleichwohl überwiegt der
weibliche Anteil (76 Prozent) gegenüber dem männlichen Anteil (24 Prozent) an der
Studierendenschaft. Die Doppelbelastung eines berufsbegleitenden Studiums nehmen im Kontext der
Pflegeberufe damit hauptsächlich Frauen auf sich. Ein weiterer Aspekt, der die Heterogenität der
befragten Studierenden verdeutlicht, bildet die Studienmotivation: Während berufserfahrene
Studierende eine klare Vorstellung von ihren beruflichen Perspektiven haben, bestehen bei weniger
berufserfahrenen Studierenden wenig konkrete Vorstellungen. Ebenso zeigt sich die Heterogenität in
der Gewichtung des Motivs aus der direkten Pflege auszusteigen: Dieses ist bei den jüngeren
Studierenden bedeutsamer gewesen als bei den älteren berufserfahrenen Studierenden. Hinzugefügt
werden muss, dass damit nicht allein Vorstellungen von einem Aufstieg in der Hierarchie verbunden
gewesen sind, sondern auch auf eine inhaltlich befriedigendere Arbeit in der Pflege abzielten. Alle
Studierenden, ob jüngere oder ältere, wollen zudem mehr Handlungsmacht durch das Studium erreichen
und endlich als Expert*innen wahrgenommen werden.
Berufserfahrene Studierende, die meist auch über eine Weiterbildung sowie eine
Führungsposition im jeweiligen Betrieb einnehmen, verfügen über die meisten Ressourcen für ein
gelingendes Studium. So können berufserfahrene Studierende, trotz der immer noch fehlenden
Etablierung von Stellen für akademisch gebildete Pflegekräfte, ihr Tätigkeitsgebiet zielgenauer
erschließen. Sie verfügen bei ihren Arbeitgebern und dem Kolleginnenkreis über ein höheres Ansehen.
Gewissermaßen weist dieser Befund auf das Matthäus-Prinzip hin, denn „Wer hat dem wird gegeben.“
Im Gegensatz hierzu zeigt sich bei der Mehrzahl der Studierenden, die jünger sind und über
weniger Berufserfahrung verfügen, eine hohe Risikobereitschaft und zugleich bei nicht wenigen eine
ausgeprägte Vulnerabilität. Die Risikobereitschaft ergibt sich aus dem Fehlen einer unmittelbar an
dem Studium anschließenden beruflichen Verwertbarkeit der akademischen Qualifikation, für die die
Arbeitgeberseite verantwortlich gemacht werden kann. Zumal die Daten die Vermutung untermauern,
dass der Versuch dieser jüngeren Studierenden als „Berufsflucht“ aufgefasst und infolgedessen in
der Arbeitsumgebung von Kolleginnen und Vorgesetzten negativ sanktioniert wird. Auch wenn diese
Studierenden formal im Studium gut zurechtkommen, haben sie das Gefühl sich auf dem Weg ins „
Nirgendwo“ zu befinden. Aus diesen Gründen ist es für diese Zielgruppe erforderlich sie für die
Ambivalenzen des Pflegestudiums zu sensibilisieren und für die damit verbundenen – unter Umständen
auch (ehr-)verletzenden – Herausforderungen gewappnet zu sein.
Insgesamt zeigt sich, dass in diesem Projekt Erosionserscheinungen in der beruflichen Pflege
zutage treten. Gerade auf Seiten der Arbeitgeber sollten daher die Bildungs- und
Spezialisierungswilligen unter den jüngeren Pflegekräften Unterstützung erhalten. Ohne
entsprechende Angebote kann davon ausgegangen werden, dass der berufliche Nachwuchs in
nachvollziehbarer Weise zu einem noch früheren Zeitpunkt aus dem Pflegeberuf aussteigen wird. Die
Aussagen aus der Studie verdeutlichen zudem den großen Bedarf der teilnehmenden Studierenden nach
einer inhaltlich befriedigenderen Arbeit. Ein Aspekt, der auch mit einer Höherbezahlung und damit
Anerkennung der mit einem Einkommensverzicht einhergehenden Bildungsanstrengung einhergehen
muss.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.
André Heitmann-Möller/04.05.2018