Mobiles Arbeiten nach der Pandemie –

Fortführung hängt mit vier Faktoren zusammen

Ob mobiles Arbeiten über die Pandemie hinaus ermöglicht wird, hängt mit der unternehmensseitigen Beurteilung mobilen Arbeitens, dem Vorhandensein eines Betriebsrats, dem Anteil der Angestellten an den Gesamtbeschäftigten und der Bevölkerungsdichte am Unternehmensstandort zusammen – das zeigt eine aktuelle Studie der Ostfalia Hochschule in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. ( BGA).

Studienautor Prof. Dr. Christian Rafflenbeul-Schaub lehrt Personalwirtschaft an der Fakultät Handel und Soziale Arbeit der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften am Standort Suderburg und hat die Verbreitung und Nutzung mobilen Arbeitens im Großhandel und die dazugehörigen Motive und Herausforderungen sowie Zusammenhänge untersucht. Dabei beleuchtet die Studie die Gestaltung betrieblicher Regelungen über die Frage der erlaubten Homeoffice-Tage hinaus. „Der Großhandel ist eine Branche, dessen Belegschaft wie beim verarbeitenden Gewerbe in der Möglichkeit mobilen Arbeitens in Desk- und Deskless-Worker geteilt ist. Repräsentative Erhebungen für die Gesamtwirtschaft messen regelmäßig nahezu identische Anteile von zu Hause arbeitenden Beschäftigten in Großhandel und verarbeitendem Gewerbe. Daher dürften die Ergebnisse auch über den Großhandel hinaus relevant sein“, erklärt Ostfalia-Wissenschaftler Rafflenbeul-Schaub.

Die durch den Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) ermöglichte Studie repräsentiert die Antworten von 285 Großhandelsunternehmen. Die groß angelegte Umfrage von April bis Mai 2023 zeigt, dass Unternehmen, die während der Corona-Pandemie positive Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten gemacht haben, sich eher dazu entscheiden, ihren Mitarbeitenden auch nach der Pandemie die Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus zu ermöglichen. Die Entscheidung wird darüber hinaus begünstigt durch das Vorhandensein eines Betriebsrats, einen höheren Anteil von Angestellten an den Gesamtbeschäftigten und einen Standort mit einer höheren Bevölkerungsdichte. Ein höherer Anteil von Angestellten bedeutet in der Regel ein größeres Potenzial von Arbeitsplätzen, die für mobiles Arbeiten geeignet sind. Je größer der Anteil von geeigneten Arbeitsplätzen ist, desto eher sind Unternehmen geneigt, mobiles Arbeiten generell zu ermöglichen. Den Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte erklärt Prof. Dr. Christian Rafflenbeul-Schaub so: „ Fakt ist, dass in städtischen Ballungsgebieten aufgrund der dortigen Wirtschaftsstruktur Arbeitsplätze, die mobiles Arbeiten erlauben, stärker konzentriert sind. Da kann man gegebenenfalls leichter in ein anderes Beschäftigungsverhältnis wechseln. Dies werden Unternehmen, die vom mobilen Arbeiten nicht völlig überzeugt sind, bei ihrer Entscheidung antizipieren.“

Die Betroffenheit von positiven und negativen Effekten mobilen Arbeitens erklärt, wie Unternehmen mobiles Arbeiten beurteilen: Je mehr die Unternehmen dem mobilen Arbeiten eine positive Wirkung auf Arbeitgeberattraktivität, Arbeitsleistung und Wohlbefinden der Beschäftigten attestieren und je weniger die Unternehmen dem mobilen Arbeiten Kontrollverlust, negative Auswirkungen auf Kommunikation und Zusammenarbeit sowie Ungerechtigkeitsempfinden bei Beschäftigten, die nicht beziehungsweise weniger mobil arbeiten können, zuschreiben, desto besser beurteilen die Unternehmen das mobile Arbeiten.

Während Kommunikation, Zusammenarbeit und sozialer Zusammenhalt als die größten Herausforderungen gesehen werden, liegen die Hauptmotive für die generelle Ermöglichung mobilen Arbeitens in der Steigerung des Wohlbefindens der Beschäftigten und der Erhaltung beziehungsweise Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität. Dagegen haben Kosteneinsparungen und Leistungssteigerung als Motive kaum Bedeutung. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass eine positive Wirkung des mobilen Arbeitens auf die Arbeitgeberattraktivität wesentlich häufiger attestiert wird, als auf Kosten und Leistung.

Die Ausgestaltung der Regelungen zum mobilen Arbeiten ist sowohl von der Unternehmensgröße als auch von der betrieblichen Mitbestimmung abhängig. Größere Unternehmen sowie Unternehmen mit Betriebsrat haben häufiger formale und kollektive sowie großzügigere Regelungen zugunsten der Beschäftigten etabliert: Sie gewähren ihren Beschäftigten häufiger einen Anspruch auf mobiles Arbeiten und erlauben es in einem größeren zeitlichen Umfang. Eine Kostenerstattung für mobil arbeitende Beschäftigte hat sich jedoch nicht durchgesetzt: Nur 13% der untersuchten Unternehmen erstatten bestimmte Kosten. Selbst bei Unternehmen mit Betriebsrat ist der Anteil nicht höher. „Man kann dies nachvollziehen, wenn man mehrere Studienergebnisse zusammenführt“, so Rafflenbeul-Schaub. „Zeitweise mobil zu arbeiten, ist in Nachpandemiezeiten ein für die Beschäftigten freiwilliges Angebot, die dabei von Wegezeiten- und Fahrtkosteneinsparungen profitieren und zumindest mit einem mobilen PC vom Unternehmen ausgestattet sind, während die Unternehmen in der Regel für alle zeitweise mobil arbeitenden Beschäftigten weiterhin einen festen Büroarbeitsplatz vorhalten. Da fällt es schwer zu argumentieren, warum Arbeitgeber auch noch den heimischen Büroarbeitsplatz bezuschussen sollen.“

Obwohl es technisch kein Problem ist, in Zeiterfassungssystemen Kategorien für mobil und in Präsenz geleistete Arbeitszeit zu implementieren, um eine differenzierte Erfassung der mobil geleisteten von der in Präsenz geleisteten Arbeitszeit zu ermöglichen, findet eine technisch gestützte Kontrolle des Anteils mobil geleisteter Arbeitszeit bei 90% der Unternehmen nicht statt. Prof. Dr. Christian Rafflenbeul-Schaub erklärt dies so: „Mobiles Arbeiten basiert auf Vertrauen. Das passt mit peniblen Kontrollen nicht zusammen.“

 

Ihr Ansprechpartner zu diesem Thema:

Prof. Dr. Christian Rafflenbeul-Schaub

Professur für Allgemeine BWL mit den Schwerpunkten Unternehmenssteuerung in Handel und Logistik und Personalwirtschaft

Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften

Telefon: +49 5826 988-63220

E-Mail:   c.rafflenbeul-schaub@ostfalia.de

 

Hier geht es zur Studie: https://doi.org/10.26271/opus-1647

 

 

Text: Prof. Dr. Christian Rafflenbeul-Schaub/Marie Ruhm/ZIM, 19.09.2023